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Wilhelm Meister als Soldat im WW1

Familiengeschichte der Familie(n)
Meister, Ritzenhoff, Becker, Dobravolsky, Orphal, Nack
und anderer

 

Aus den unterschiedlichsten Gründen beginnen Menschen mit der Erforschung ihrer Vorfahren und deren Geschichte.

Bei mir begann die Suche am 50. Geburtstag meines Vaters. Er erzählte von seiner Familie, seiner Kindheit, Erlebnissen und Erinnerungen - und mir wurde bewusst, dass wir eigentlich eine "geschichtslose" Familie waren.

Wir wussten nur wenig über die Geschichte der Grosseltern, noch weniger über deren Eltern, ganz zu schweigen der Generationen davor. Und das, was mein Vater - und meine Mutter - über ihre Erinnerungen an die Familien und deren Geschichte erzählte, war mehr als lückenhaft. Mit Block und Stift setzte ich mich an diesem Abend vor den heimischen Bücherschrank und begann in den Büchern meines Grossvaters Wilhelm Meister nach ersten Informationen zu suchen.

Meine Hauptthemen der Genealogie liegen in diesen Gebieten:

  • Glasmacher Becker, Gundlach und andere
  • Konfirmandenanstalt Höxter und Wilhelmstift Bad Frankenhausen
  • Auswanderung in die USA zwischen 1850 und 1913
  • Künstler Wilhelm Meister aus Steinbach/Baden
  • Familien Nack aus Gierstädt in Thüringen
{/AC}

Es ergaben sich langjährige Kontakte zu anderen Forschern im In- und Ausland, ich fand Verwandte (um x Ecken, aber ist das nicht egal?) in den USA, ein vertieftes Interesse und Kenntnis von Geschichte, den sozialen, meterologischen, politischen Faktoren, und natürlich auch wenig(er) schöne Geschichten, von verstoßenen unverheirateten Müttern, Geschäftspleiten und Witwern mit sieben minderjährigen Kindern, glücklosen Ehen, Krieg und Tod. Eben jenen Dingen, die es in allen Familien mehr oder weniger häufig gibt.

Ich will die Geschichte erzählen von Menschen, an die sich wohl niemand mehr erinnert. Sie haben die Weltgeschichte nicht geprägt, es wurden keine Bücher über sie geschrieben, und vielfach ist nicht mehr über sie bekannt als ihre Namen und ein paar Jahreszahlen auf einem Blatt Papier.

Aber sie haben Spuren hinterlassen ... und um die soll es hier gehen.

 

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Die Beckers und der Sießerkamp


Satellitenbild des SießerkampZur Geschichte der Flur Sießerkamp

In der Geschichte der Glasmacherfamilie Becker hat der sogenannte Sießerkamp eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Hier stand das Haus des Faktoren

Das Hüttengelände "Sießerkamp" liegt an der heutigen Kreisstraße K89, Straßenbezeichnung "Zur Altenauquelle" ca. 2-3 Kilometer nördlich von Blankenrode. Auf der Karte ist an dieser Stelle ein fast rechteckiger Rodungsplatz westlich des Straßenverlaufes erkennbar, direkt im Ausgang einer leichten Linksbiegung der Straße.

Durch die Orientierung der K89 in der Niederung am Verlauf der Altenau, liegt das Hüttengelände heute westlich der Straße, früher verlief die Straße nach Blankenrode in Nord-Süd-Richtung noch über den sogenannten "Heuweg", der fast parallell zum Triftweg auf halber Hanghöhe entlangläuft.

In dem Satellitenbild (Abb. 1) ist der Rodungsbereich des Sießerkamp mit dem roten Kreis markiert, die K89 östlich davon in gelb. Orange verläuft westlich vom Sießerkamp erst der Heuweg, weiter westlich der Triftweg. Die beiden quer dazu verlaufenden orangenen Wege sind heute Waldwege.


Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte veränderte sich der Name jener Stelle zwischen Blankenrode und Holtheim ebenso stark wie ihr Aussehen. Waldgebiet, Rodungsfläche der Glashütte, Weidefläche, Streuobstwiese - heute ist der Begriff "Sieserkamp" oder auch "Sießerkamp" offiziell nur noch ein Flurname.

 

Sieserkamp 1836

Sieserkamp, Karte von 1891

Dieser frühere Weg führte direkt durch die beiden Teile des Hüttengeländes hindurch (siehe Kartenausschnitt von 1836, Abb. 2), womit das Herrenhaus (siehe unten) unterhalb des Weges und  abgetrennt von den beiden anderen Hüttengeländeteile lag.

Nochmals einige Jahre später zeigt die Karte von 1891 (Abb. 3) wieder den Sieserkamp. Die gestrichelt markierten Wege sind die Wege aus 1891, sowie jene Wegführungen (durchgezogene Linien), die bis 1912 entstanden. Die Verlegung der ursprünglichen "Hauptstraße" durch das Gelände ist bereits zu sehen. Dies ist nicht nur bezeichnend für die schwindende Bedeutung der Hütte, sondern vor allem ein Zeichen dafür, dass die zur Zeit ihrer Anlegung abgelegene Hütte, die nur durch - mehr oder weniger befestigte - Waldwege erreichtbar war, inzwischen durch das wachsende Netz an Straßen und Chauseen an den Rand geschoben werden musste. Immerhin war es für Verkehr ausgesprochen unsinnig, das Hüttengelände durchqueren zu müssen.

In dem Artikel "Einiges zur Geschichte der Glasindustrie im Kreise Büren"1 zitiert Lippert Freiherr v. Oeynhausens Statistiken des Kreises Büren für den Zeitraum 1862-75. Dort wird der Sießerkamp als Hohlglasfabrik "Siesterkamp" bei Fürstenberg im Besitz von Gustav Becker bezeichnet. Hermann-Josef Lippert nennt daneben noch die Bezeichnung "Systerkamp" als eine weitere Schreibweise.

Als Ursprung dieses ungewöhnlichen Namens wird ein mittelalterlicher Ort namens Syrexen angenommen, ursprünglich wird er im Jahre 836 erstmals erwähnt als "Sirikeshusen" in einem Verzeichnis des Corveyer Besitzes, in dessen Gemarkung der kleine Ort gehörte. Er soll 6-8 Hofstellen umfasst haben. Er war von keiner besonderen Bedeutung, entsprechend interessant finde ich, wie oft er doch in den Akten auftaucht. Vor allem zur Bezeichnung von Flurstücken wird er genutzt, zum Beispiel als "Sirexer Feld" (ich halte es für eher weniger wahrscheinlich, dass "Sirexer Feld" für die Bezeichnung "Sintfeld" steht).

Syrexen teilt das Schicksal vieler anderer Ortschaften des Sintfeldes, dem Hochplateau südlich von Paderborn, das sich rund um Bad Wünnenberg erstreckt. In diesem vergleichsweise kleinen Teil des Paderborner Hochfläche, der schon seit as teilweise in den Hochsauerlandkreis hineinragt., Nordrhein-Westfalen (Deutschland).

Über die Besiedelung und den Untergang des Ortes gibt es diverse Hinweise, sie stammen alle aus späterer Zeit und wurden aus der Nennung als "Villa", als . oder eben als reine Flurbezeichnung "Feld" geschlossen.

Untergang des Ortes

Eine ziemlich ungewöhnliche Schreibweise, die in dieser Form bisher auf keiner anderen Karte auftaucht, erscheint in einer Geländekarte von 1836. nämlich "Süsser Kamp"

 

diie

 

Ein Einer der ganz großen historischen Bewahrer der Glashüttengeschichte(n) gerade im Bezug auf den Sießerkamp und die Beckers war Karl Lippert zwei Vertreter der Familie Lippert (auch dies ein alter Glasmachername). Von ihm stammen diverse Artikel und unveröffentlichte ........

Reccius - Angaben zu Namen von Glasmachern aus dem Staatsarchiv Marburg Die kleine Siedlung mit 6-8 Hofstellen (QUELLE) wurde vermutlich im mittleren oder späten Mittelalter zur Wüstung und wurde der während einer Stiftsfehde wüst fiel und wurde nicht wieder aufgerichtet.

Zur frühen Besiedelung des "Sirexer Feldes" (so eine andere Bezeichnung) gibt es diverse Hinweise,

Untergang des Ortes, der zur Zeit seiner Wüstwerdung um die 6-8 Hofstellen hatte, war eine Stiftsfehde. Sie brach als ein Konflikt der hohen Geistlichkeit (dem Bischof von Paderborn) mit den örtlichen Adeligen aus und endete im Jahre 1395 nach erst gut elf Jahren. Nicht nur das kleine Syrexen gehörte zu den Opfern. In der Region Sintfeld gingen insgesamt 38 Ortschaften unter. Das "Syrexer Feld" umfasste ca. 10 Hektar. Wo genau die Siedlung lag, ist nach Hermann-Josef Lippert2 nicht mehr feststellbar.

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1561-63 gab es zwischen dem Dahlheimer Kloster und und anderen Streitigkeiten um Grashude und Weide in den Dalheimschen Marken Sirexen, Nutlon (...)3, ebenso 1601
1429 kam diese Fläche in den Besitz des Klosters Dalheim, 1803 im Zuge der Säkularisation zum preußischen Staat. Sowohl Blankenrode als auch die anderen umliegenden Ortschaften nutzten zu dieser Zeit das "Syrexener Feld" als Hudeplatz. Eine Aufnahme von Google Maps zeigt den Verlauf zweier Wege, deren Name schon ihre Bedeutung klar macht und aufzeigt, dass der Sießerkamp an einer exponierten Stelle lag.

Der Triftweg (von nordwest nach Süden in Richtung Blankenrode verlaufend) führt der Triftweg ("Trift" steht als eine Ableitung des Wortes "treiben" für den Weg, den das Vieh zwischen der Hute und dem Heimatstall benutzte), ein Heuweg führt von Norden aus nach Süden in Richtung Blankenrode an der Westflanke der Hütte vorbei.
Gen Westen führt ein alter Weg von der Hütte weg hin zum Triftweg, direkt am nordwestlichen Eckpunkt der Hütte abgehend. Karl Lippert beschreibt, dass dies "ein Rest der alten Straße" sei, und dort noch ein altes Holzschild mit der Bezeichnung "zur Glashütte" stand.
Die alte Straße wurde beim Bau der Kreisstraße verlegt und macht dias Hüttengelände von der Straße aus gesehen so wenig auffällig.

1825 kaufte der Glasfabrikant Carl Christian Becker, ein Glasfabrikant vom Uhrenberge bei Dahl, den Sießerkamp zur Anlage einer Glasfabrik. Eine Verkaufsurkunde der Regierung von Minden gibt davon Kunde1 und 2.
Der Uhrenberg, eine Höhe zwischen Dahl (heute Stadtbezirk von Paderborn) und Herbram, war seinerzeit eine bedeutende Glashütte, die sogar im französischen "Dictionnaire géographique universel" von 1833 als "grande verriere" Erwähnung findet. Carl Christian Becker war der Sohn des Glasmachers Heinrich Wilhelm Becker und dessen Ehefrau Wilhelmine Schild. Geboren 1787 wurde er ebenfalls auf einer Glashütte - der Hütte "Helle".

Becker soll ein Fabrikbesitzer "alter Schule" gewesen sein. Die Beschreibungen schildern ihn als einen jener strengen, dabei väterlichen, erfolgsorientierten, dabei durchaus fürsorglichen Arbeitsgeber. In seiner Firmenführung war er so erfolgreich, dass er die Hütte in Alten-Böddeken aufkaufen konnte, die 1808 durch einen anderen Becker gegründet worden war. Der dort liegende Glasmacherfriedhof, der 2008 wieder geweiht wurde, wurde durch Carl Christian angelegt und 1854 eingeweiht. Auch Oeventrup kam in dieser Zeit des wirtschafltlichen Erfolges in seinen Besitz.

Amalie, die Ehefrau von Carl Christian, stammte ebenfalls aus einer Glasmacherdynastie, deren Geschichte mindestens so interessant und weit gefächert ist wie die der Beckers: Die Glasmachersippe Wiegand.
Geboren als Tochter des "Glasfabrikanten Wiegand" vom Glaswerk Feldtengansen (östlich von Brakel, wird Amalie zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit mit Carl Christian als "von der Emder-Glashütte" bezeichnet, die östlich von Driburg lag.

Hermann-Josef Lippert2 beschreibt, dass Carl Christian vor Anlage der Hütte mit Hilfe eines Wünschelrutengängers zunächst das Areal sondierte - auf der Suche nach einem Brunnen. Von der Lage dieser Wasserquelle aus plante Becker dann die Lage und Ausrichtung der Fabrik.

Die Bezahlung des Hüttenortes wurde durch ein Erbschaftsgeld geregelt. Der erste Teil der Zahlung betrug 40 Taler, 20 Silbergroschen, sowie eine Grundsteuer von 1 Taler und 15 Silbergroschen. Jährlich war ein Erbpachtzins von 16 Talern und 8 Silbergroschen an die Forst- und Domänenkasse in Lichtenau fällig. Über diese Erbpacht leistete Becker den Restbetrag ab. Wahrscheinlich 1836 wurden die letzten Zahlungen geleistet. Die Geschäfte liefen gut.

Die Glashütte Sießerkamp, es war eine Glasfabrik, bei weitem umfangreicher als die früheren (Wander-) Glashütten, bestand neben dem eigentlichen Fabrikgebäude aus Lager, Scheunen und Stallungen, sowie dem Becker'schn Herrenhaus und Wohnhäusern für Familien (Hermann-Josef Lippert nennt insgesamt 10 Häuser).
Carl Christian wollte dafür sorgen, dass die Kinder seiner Mitarbeiter die Siedlung nicht verlassen mussten - sicher nicht ganz uneigennützig - und ließ außerdem eine evangelische Privatschule anlegen.
Hermann-Josef Lippert beschreibt den Garten, den Becker nördlich des Herrenhauses anlegen ließ:
"Nördlich der Hüttengebäude und des Herrenhauses ließ Becker sich einen prächtigen Garten anlegen. Es wuchsen darin sogar einige exotische Ziergehölze. Überwiegend pflegte er darin aber erlesene Obstbäume und Beerensträucher. Sie trugen noch weit bis in unser Jahrhundert hinein reichliche und wohlschmeckende Früchte. Zum Teil leben ihre "Nachkommen" noch heute in Blankenroder Hausgärten, auch bei mir in Düsseldorf.
Zur Straße hin schützte eine gepflegte Hecke den Garten. Die "Pättkes" waren mit Buchsbaum gefasst, der mehrmals im Jahr sauber und exakt geschnitten wurde."
Über die Art des Betriebes gibt die bereits mehrfach erwähnte Beschreibung von Hermann-Josef Lippert genau Auskunft.
Als sogenannte Fabrik der "4. Generation" war sie ein stationärer Betrieb mit mehreren eigenständigen Arbeitsstellen bzw. Räumen, denen die jeweiligen Arbeitstaufträge zugewiesen wurden, die sie im Rahmen einer Arbeitsteilung betrieben. Dazu gehörten: die Glasherstellung, Kühlofen, Formenmacherei, Schleiferei, Verpackung, Versand, Lager für sowohl Materialien als auch Waren, Holzrösterei, Pottaschenbereitung und Verwaltung.

Auf dem Sießerkamp war ein Langofen in Betrieb, der aus festem Sanstein gefertigt war. Noch immer war es der Ton aus Großalmerode, der das Material für die Glashafen bildete. Anhand von Funden auf dem Hüttengelände weiß man, dass neben dem durchsichtigen Glas auch grünes, rotes, braunes, milchweißes und blaues Glas gefertigt wurde. Sie stellten Gläser, Flaschen etc. in Hohlglasform her.

Sowohl die Anlieferung der Rohmaterialien als auch der Abtransport der Fertigwaren geschah über Esel, anders ließen sich die unwegsamen Strecken durch die Wälder mit der zerbrechlichen Fracht kaum erfolgreich zurücklegen. Später lösten Pferdefuhrwagen auf besseren Straßen die Eselkarawanen ab.

Laut Berichten hat Carl Christian bis in sein 75. Lebensjahr hinein das Imperium, das zu dem Zeitpunkt aus drei Glashütten bestand, selbst geleitet. Erst 1862 gingen die Hütten in die Hände zweier seiner Söhne: Rudolf (Daten unbekannt ?? ) und Gustav (*1830 ??) über.

August Wilhelm (* Daten unbekannt ???) wurde ausbezahlt und ging nach Westpreußen, um dort die Glashütte Eisenbrück zu gründen, Carl Wilhelm  (*1842) ging ebenfalls nach Westpreußen und gründete dort die Hütte Neukrug bei Danzig.

Nach der Geschäftsübergabe an seine Söhne zog sich Carl Wilhelm vom Sießerkamp zurück und zog gemeinsam mit seiner Frau nach (Bad) Karlshafen, in das Haus seiner Tochter Minna, die - in guter Glasmachertradition - wiederum einen Glasmacherahnen geheiratet hatte: Friedrich Wentzel. Dort starb Carl Christian 1868 (nach anderen Angaben 1869), Amalie zwei Jahre später.

Wie groß der Stolz des Carl Christan Becker gewesen sein muss und welche Bedeutung er sich, seiner Position und Familie zugemessen hat, wird auf dem Familienfriedhof Becker deutlich, der sich im Waldgebiet direkt an das ehemalige Glasfabrigelände anschließt.

Auf der rechts stehenden Fotografie ist der große Grabstein von Carl Christian Becker und seiner Frau Amalie zu sehen (eine Detailaufnahme findet sich darunter). 

Gustav und Rudolf Becker gelang es nicht, das "Becker'sche Glasimperium", wie man die Firma landläufig auch nannte, weiterhin erfolgreich zu betreiben.

Zunächst gingen 1881 die Schwesterhütte in Alten-Böddeken und Oeventrup in Konkurs. Ein Jahr später auch der Sießerkamp.  Die beiden Hütten wurden zwangsversteigert und Gustav Becker blieb nichts anderes übrig als seinen Besitz aufzugeben und als Pächter auf die Glashütte Siebenstern zu gehen, die auch zum Glasimperium der weit verzweigten Beckerfamilie gehört hatte. Rudolf Becker verschwindet aus den Annalen.

Das Gelände des Sießerkamp gelangte mit der Versteigerung 1881 in den Besitz eines Fuhrunternehmers. Aloys Köster aus Haaren kaufte neben dem Land auch alle Gebäude und Installationen auf - und versuchte sich selbst als Glasmacher. Allerdings zeigte sich rasch, dass es nicht (mehr) möglich war, die Hütte unter den vorhandenen Bedinungen auch nur kostendeckend zu betreiben. So kam es zu dem Entschluss, die Hütte zu schließen - das Ende des Sießerkamp als Glashüttenstandort. Ihrer beider Schwiegersohn Friedrich Wentzel kaufte nach Angaben von Karl Lippert nach dem Konkurs 1882 den Familienfriedhof und bewahrte ihn so.

Die nun arbeitslos gewordenen Glasmacher zogen weiter - Lippert berichtet, dass sie teilweise nach Schlesien oder Böhmen gingen, sofern es ihnen nicht gelang, auf einer näherliegenden Glashütten eine neue Anstellung zu bekommen.

Das Herrenhaus des Sießerkamp nach seiner Verlegung Man versuchte die Gebäude so gut wie möglich zu Geld zu machen, verkaufte sie und brach sie ab, um sie anderswo wieder aufzubauen. Auch das Herrenhaus, das ein wirkliches Schmuckstück gewesen sein muss, fand eine neue Heimat. Der Sohn von Aloys Köster verkaufte das Steinhaus an einen Verwandten in Meerhof. Dort wurde es 1912 wieder aufgerichtet und stand dort bis zu seiner endgültigen Niederlegung.

Der brach liegende Sießerkamp wurde zu großen Teilen aufgeforstet und ist heute eine stille, vergessene Wiese. Die Stelle, die bis heute “Auf der Hütte" heißt, liegt unauffällig direkt neben der Kreisstraße 69 "Zur Altenauquelle", etwa 2-3 Kilometer nördlich des Ortsausgangs von Blankenrode, etwa auf halber Strecke zwischen Blankenrode und Marschallshagen/Holtheim.

Von der Straße aus ist nicht zu erkennen, dass hier ein kleines Stück großer Geschichte liegt. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände ist nur ein Brunnen und der Gewölbekeller des Fabrikantenhauses erhalten. Der Keller ist durch eine Gittertür verschlossen.

Quellen:
1 Lippert, Karl - "Einiges zur Geschichte der Glasindustrie im Kreise Büren", erschienen in "Heimatbuch des Kreises Büren", P.R. Esser, Büren, 1923
Wigand, Paul - Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Westphalens, Verlag Meyer, 1828
2 Lippert, Hermann-Josef - "Die Blankenroder Glashütte auf Siesserkamp 1826-1883 - Ein Beitrag zur Blankenroder Chronik", Blankenrode im Mai 1982, unveröffentlichtes Manuskript

3 Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen - http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr=1&verzguid=Vz_a737ea3d-fae4-4dfa-93c9-1d95e572c2a7
 
http://www.naturpark-teutoburgerwald.de/
http://www.westheim.org

 

Landwirt Aloys Köster, geboren 9.11.1842, verheiratet seit 2.9.1871 mit Agatha von Rüden, wohnte zuerst auf der Glashütte in Altenböddeken, verzog dann nach Blankenrode, wo er durch Zuschlagsurteil vom 9.12.1882 in der Zwangsversteigerung die Glashütte Siesserkamp erwarb. Im Jahre 1825 erwarb Glasfaktor Karl Christian Becker, geb. 29.12.1787 und gestorben am 10.10.1868, vom preussischen Fiskus in der waldreichsten Gegend des untergegangenen Dorfes Sirexen zur Errichtung einer Glasfabrik etwa 40 Morgen. Im Kreise Büren waren noch weitere Glasfabriken bei Fürstenberg, Altenböddeken, bei Wewelsburg und Marschalshagen bei Holtheim; letztere Fabrik hat sich am längsten gehalten. Glasfaktor Karl Becker zu Siesserkamp wird als Geldgeber in der Geschichte des Fernandshofes erwähnt.

Da die Glashütte Siesserkamp inmitten der ausgedehnten Waldungen einsam lag, war die Versuchung zu Holz- und Wilddiebstählen für die Glasarbeiter eine große. Beim Verkauf war auf Antrag des Forstfiskus für den Käufer, den Glasfaktor Karl Becker, im Grundbuch Abt. II die Verpflichtung eingetragen, die Glasarbeiter vor Holz- und Wildfrevel wirksam zu bewahren; andernfalls konnte der Besitzer für den Schaden haftbar gemacht werden.

Durch Vertrag vom 21.3.1862 übernahm Glasfaktor Gustav Becker von seinem Vater Karl den Grundbesitz mit aufstehenden Fabrik- und Wohngebäuden. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Glashütten in den ländlichen Gegenden immer mehr. Mangelnder Absatz, Verkehrsschwierigkeiten in der Anfuhr der Rohmaterialien und Abfuhr der Fertigwaren waren für die schlechte Rentabilität die Hauptgründe. Marschalshagen kam erst Herbst 1914, mit Beginn des Weltkrieges, zum Erliegen. Auf Siesserkamp herschte in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein reges Leben. Es war sogar eine evang. Privatschule eingerichtet, die bei ihrer Auflösung (1877) 12 Schüler zählte.

Gustav Becker übernahm in den Zeiten gutgehender Konjunktur noch die Glasfabriken in Öventrop und Altenböddeken. Aus dem Grundbuch ersieht man seine wachsenden finanziellen Schwierigkeiten. Am 6.9.1878 erhielt er eine Hypothek von 12400 Mark, und zwar von der Kreissparkasse Büren; im folgenden Jahre wurden weiter eingetragen für den Fabrikbesitzer Friedrich Wetzell zu Hannoversch-Münden, anscheinend einem Schwager von Becker, 12000 Mk und 18000 Mk für den Bruder des Besitzers von Siesserkamp, den Gutsbesitzer C.W. Becker zu Heukrug in Westpreußen. Der Zusammenbruch der Glasfabriken Oventrop und Altenböddeken zog den von Siesserkamp naturgemäß nach sich. Am 9.3.1882 wurde das Konkursverfahren gegen Gustav Becker eingeleitet.

Aloys Köster erwarb zum Höchstgebot von 14650 Mark Siesserkamp, während Fabrikbesitzer Wetzell die Friedhofsparzelle, Flur 5, Nr.20/I zur Größe 1,50 Ar für 50 Mark ersteigerte. Auf dem Friedhof zu Siesserkamp wurde auch Gustav Becker, der nach seinem Wegzuge die Glasfabrik Siebenstern bei Driburg gepachtet hatte, neben seiner Gattin und seinen Eltern begraben. Der neue Besitzer Köster wohnte zuerst auf Siesserkamp, legte schon bald die unrentabele Glashütte still, die mit anderen Häusern abgebrochen wurde.

Das alte Herrenhaus ist in Meerhof wieder aufgebaut. An die frühere Glashütte erinnern heute nur Obstbäume und eine Kelleröffnung. Der Grundbesitz der früheren Glashütte dient heute hauptsächlich Weidezwecken und wird vom "Kondokterhofe" aus bewirtschaftet.

Familie Becker

Auguste Becker als Hausmutter

Über Auguste Becker (Auguste Marie Wilhelmine Caroline Therese, *14. Jul. 1852 in Alt-Böddecken), besteht eine Anbindung an eine der großen Glasmacherfamilien Deutschlands. Das Foto rechts zeigt sie als reife Frau auf einer Parkbank. Links neben ihr sitzt auf dem Original eine Frau Schloemann, mit der Auguste Becker freundschaftlich verbunden war. Frau Schloemann war die Ehefrau von Ludwig Schloemann aus Höxter, mehr über diesen auf der Seite über das St. Petri Stift.

Dieser Zweig der Ahnen gehört zu den spannendsten Teilen meiner Ahnenforschung.

Zunächst fanden wir in den Unterlagen der Familie einen Brief mit Hinweisen darauf, dass Auguste aus einer Familie von Glasmachern stammte und die Tochter einer Johanne Becker sei.

Dank dieser Informationen und den Bemühungen früherer Ahnenforscher konnten wir Augustes Geburtsurkunde finden. Sie wurde am 14 Juli 1852 in Altenböddeken geboren und auf den Namen Auguste Marie Wilhelmine Caroline Therese Becker getauft. Neben dem Namen der Mutter, Johanne Becker, waren vor allem die Namen der Taufpaten Hinweise darauf, dass es sich bei ihr tatsächlich um eine Tochter aus "Glasmacherhause" handelte. Um sicher zu sein, dass wir nicht einer falschen Urkunde aufsaßen, bemühten wir uns von verschiedenen Seiten um eine Urkunde, die alle mit dem gleichen Ergebnis endeten: Auguste Becker war in der Tat die uneheliche Tochter von Johanne Becker aus Altenböddeken, geboren ihrerseits in Siebenstern und Tochter von Friedrich August.

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Glasmacher Becker stolpert man fast unvermeidlich über die Schrift des sogenannten "Rektor Dietrich". Das Heft von Hr. Dietrich steht in der Kritik, da seine Arbeit einige nicht unerhebliche Fehler enthält, die Familien falsch zuordnete etc.

Leider endet  das Heft außerdem genau in der Generation, in der wir den Anschluss versuchten. Für mich war es eine Offenbarung, als ich eine Kopie deses Heftes aus einem Archiv erhielt, bei dem ich um Informationen angefragt hatte. Mit einem Schlag hatte ich Generation um Generation, Person und Person ... und im Grunde bin ich seitdem mit dem Sortieren, Neusortieren noch nicht fertig geworden.

Erstmals werden die Becker als Glasmacher im Spessart erwähnt.

Familie Dobraolsky

*** noch nicht fertig bearbeitet ***

Von Hamburg in die USA

Eines Tages taucht in den Shipping Lists der SS America, einem Schiff der Hamburg American Line der Name Josef Dobravolsky auf. Er emigrierte damals von Hamburg aus in die Vereinigten Staaten.

Die Hamburg American Line transportierte Tausende von Auswanderern über den Atlantik in eine - wie sie hofften - bessere Zukunft. Die Hamburg America Line, gegründet 1847, war die erste deutsche Dampfschifflinie, die den Altantik überquerte.

Zusammen mit Josef war auch eine Familie Oborsky an Bord, die wie es scheint, aus dem gleichen Ort stammte. Die Oborskys bekamen später eine Tochter, Helen, die Walters Frau wurde. Woher die Familie Dobravolsky stammt, ist bisher unklar. Zu verworren ist die polnische Geschichte.

Josefs Frau, Paulina Rodwanski/Rudvanski, blieb damals zurück. Es kam häufig vor, dass zunächst einmal der Mann auswanderte, in der neuen Heimat nach Arbeit und Unterkunft suchte und seine Familie nachkommen ließ, wenn er die Basis für ein neues Leben geschaffen hatte. Laut Angaben aus der Familie muss Paulina um 1913 ebenfalls ausgewandert sein, denn bereits 1914 wurde ihrer beider Sohn geboren, Walter Dobravolsky.

Josef war Farmarbeiter gewesen - zumindest gibt er das in den Auswandererlisten so an. Als sein Vater taucht ein John Dobravolsky auf - und damit endet das Wissen um die Vorfahren von Walter Dobravolsky auch schon.

Zurück nach Europa

Viele Jahre später, im Jahr 1946, führt der Weg eines der Dobravolskys wieder zurück nach Europa. Walter Dobravolsky, geboren 1914 in Boston, Mass., war als Soldat nach Deutschland gekommen. Mysteriös sind die Aufgaben, die er hier erfüllt hat. Fest steht nur eins: Er arbeitete für den CIC, den Geheimdienst in Kriegszeiten. Als polnisch stämmiger Amerikaner sprach er Polnisch und war wunderbar dafür geeignet, als Ermittler auf den Schwarzmärkten eingesetzt zu werden. Ihn reizte diese Aufgabe. Als er in Wildflecken stationiert war, lernte er meine Großmutter Ingeborg Ritzenhoff kennen, die damals als Schreibhilfe für die Amerikaner arbeitete.
Die Geschichte, wie sich die beiden kennengelernt haben, könnte einem romantisch verklärten Kriegsfilm entspringen.

Ein greifbares Resultat dieser Geschichte ist meine Mutter Ulrike. Das Ende der Geschichte war weniger romantisch. Er kehrte in die USA zurück und die beiden haben sich nie wiedergesehen.

Bühler Kunstausstellung 1949

 

Im August 1949 fand die erste Kunstausstellung in Bühl/Baden nach dem zweiten Weltkrieg statt. Sie wurde von einer Reihe von Künstlern veranstaltet, die aus der Region stammten.

Beteiligt waren der Bildhauer Walter Fischer, sowie die Malerin Ursula Loos-Meister, ihr Mann Hannes Loos, der bekannte Maler Toni Merz, Albert Wallat und schließlich auch Wilhelm Meister, mein Großvater.

Die Abbildungen des Katalogs stammen von einem der wenigen erhaltenen Originalkataloge, die sich im Besitz der Familie (Hansjörg) Meister befinden. Eine Kopie des Katalogs haben wir dem Stadtarchiv der Stadt Bühl-Baden zur Verfügung gestellt.
 

Beteiligt an der Ausstellung waren (Alle Abbildungen und gescannten Texte stammen aus dem Katalog):


Walter Fischer war ein Sohn von August Fischer, dem damals eine kleine chemische Fabrik in Bühl gehörte. Dieser August Fischer hatte 1932 UHU entwickelt.

15 Plastiken stellte Walter Fischer aus, die alle menschliche Figuren zeigten. Im Katalog der Ausstellung ist ein sitzender weiblicher Torso abgebildet.
Über Walter Fischer - aber das sei nur am Rande erwähnt, lernten sich meine Großeltern Wihelm und Mathilde kennen.

Toni Merz, ein regional bekannter Maler, wurde später zu einem Freund der Familie.

Mein Vater erzählte davon, dass die beiden Männer sich oft im Meisterhaus trafen und gemeinsam malten.
Toni Merz präsentierte damals 22 seiner Bilder. Seine Werke sind heute im Toni-Merz-Museum in Sasbach-Obersasbach zu sehen.

Ein Ölbild, das er von meiner Großmutter Mathilde gemalt hat, hängt bei meiner Mutter im Wohnzimmer.
Im Museum zu Ehren von Toni Merz sind offenbar keine Spuren von WIlhelm Meister zu finden.

 


Mein Großvater, Wilhelm Meister, hatte 32 Arbeiten ausgestellt.

Es waren Bilder in Öl, in Pastell, sowie einige graphische Arbeiten. Die Bilder waren zwischen 1920 und 1949 entstanden.

Eines davon ist das Bild "Lesende", 1949 entstanden. Vermutlich zeigt es eine seiner Schwestern.

Keines der Bilder, die in dem Katalog genannt worden, sind soweit ich weiß, erhalten.





Ursula Loos-Meister stellte vor allem Bilder in Kreide und Aquarell aus. Eines von ihnen trägt den Titel "Peterle". Dieses Bild mit dem Titel "Peterle" stellt eine Tochter von Wilhelm Meister dar. Es ist Gabriele, Schwester meines Vaters und meine Tante.

Ein anderes stellt einen Professor "A. von Csilléry" dar.

Ihr Ehemann, der Maler Hannes Loos, stellte ebenfalls eine Vielzahl von Bildern aus, unter anderem eines mit dem Titel "Der kranke Harlekin".


Albert Wallat, der als Maler in Kappelrodeck (Baden) lebte, stellte ebenfalls einige Werke aus, unter anderem Bilder, die er in Marseille gemalt hatte.

Albert Wallat war offensichtlich ein unehelicher Sohn des Malers Haueisen.

Und irgendwo gibt es anscheinend eine verwandtschaftliche Verbindung zu Annette von Droste-Hülshoff.

Wappen der Familie MeisterDas Meisterwappen
 

Dieses Wappen wurde von meinem Großvater Wilhelm Meister als das Wappen unserer Familie genannt. Das Original hängt bei einem seiner Söhne. Auf der Rückseite des Wappens findet sich folgender Text:


Zum Wappen der Meister in Mittelbaden

Wappen der Familie Meister aus Steinbach, Baden

Meister Martin, geb. zu Fuentzen in dem Bauernhause ob der oberen Mühle, der Sage nach von einem Fischergeschlecht abstammend, welches den Namen Meister angenommen hatte, war 1596-1625 der 36. Abt von St. Blasien.
Er führte das Wappen seiner Vorfahren, einen Fisch und ein Mühlrad im Schilde.

Das gleiche Wappen führte 1614 der Licentiat Adam Meister, der 1606 auf der Universität Freiburg immatriculiert war. Er ist 1611 Notar gewesen, wurde 1621 Doktor und Professor
in Freiburg/Br. und starb anno 1633.

Dasselbe Wappen führte Vitus Meister, der 1622 als Amtmann in Krotzingen gewesen ist.
 
 
Wappenbeschreibung:

Der Schild
ist waagrecht geteilt und zeigt oben auf goldenem Grund einen schwarzen Fisch (Karpfen), unten auf schwarzem Grund ein halbes goldenes Mühlrad.
 
Der Helm
ist geschlossen, rot gefüttert und trägt eine goldene Helmkette
Als Helmzier dient ein schwarzer Flug, auf ihm ein Teil des Mühlrades.

Die Helmdecke
ist beiderseits golden und schwarz.

Das Wappen ist zu finden im Badischen Geschlechterbuch.
 
Die Familien Meister saßen in der Gegend um Freiburg, im Hochschwarzwald
und in den Gebieten des ehemaligen Fürstbischofstum Straßburg,
rechts und links des Rheins.

Das Wappen wurde gemalt in Auqarell, Tempera und echt Gold
von Hermann Stenz, Heraldiker in Karlsruhe.
 

Das erwähnte Badische Geschlechterbuch führt tatsächlich das erwähnte Wappen ... allerdings wird es dort nicht einem Martin Meister sondern Meisser zugeschrieben. Es gibt eine räumliche Nähe zwischen der Herkunft der Familie Meisser und der im Wappen genannten Meister.

In Dietlingen, einem früheren Ortsteil von Weilheim im Kreis Waldshut, steht die St. Fridolinskapelle. Über dem Sakristeieingang der Kapelle befindet sich das Wappen eines Abtes aus Sankt Blasien, des Abtes Martin I. Meister. Auf ihn führte mein Großvater die Abstammung "unserer" Meisters zurück. Martin Meister (1596-1625) stammte aus Fützen, das in die Stadt Blumberg eingemeindet worden ist. Fützen liegt unmittelbar an der Schweizer Grenze zwischen Freiburg und dem Bodensee.

Insofern wäre eine Veränderung der Buchstaben "s" und "t" grundsätzlich denkbar und würde nicht grundsältzlich gegen die Verbindung sprechen. Beim Schreiben des Namens Meisser in Sütterlin etc wurde das zweite s in der verlängerten Form geschrieben, was vielleicht auch falsch abgelesen worden sein könnte ... man könnte ungezählte Möglichkeiten aufführen.

Allerdings bleibt die Tatsache, dass für die Recherchearbeiten, die durch Hermann Stenz durchgeführt worden sind, keine Nachweise mehr vorhnden sind. In der Familie heißt es, der Heraldiker sei durch Wilhelm Meister beauftragt worden und habe über die Generationen hinweg die Beziehung zwischen "meiner" Familie Meister und den Inhabern der Wappenrechte nachgewiesen. Dies ist nun nicht mehr möglich, da die Unterlagen innerhalb unserer Familie verschwunden sind.

Ich konnte durch eine Nachfrage bei einer Auskunftsstelle herausfinden, dass Hermann Stenz als seriöser, ernst zu nehmender Heraldiker gilt, dessen Forschung geschätzt war. Er ist jedoch inzwischen verstorben, und es gibt keine Informationen über den Verbleib des Nachlasses von Herrn Stenz. Entsprechend geht es auch hier erst einmal nicht weiter.

Damit sind alle Unterlagen über diese Forschungen verloren gegangen. Geblieben ist das angebliche Wappen der Familie Meister aus Ulm, Lichtenau, das wir nicht führen können.

 

Familie(n) Meister

 

Die Meisters leb(t)en über Jahrhunderte im Raum Baden. Baden-Baden und Steinbach, Ulm Lichtenau, Stollhofen, Greffern und Schwarzach (Rheinmünster) finden sich da.

Erster Nicolaus Meister, den wir in Ulm Lichtenau (bzw Schwarzach als dem Ort der Sakramente) finden, ist am 12. Februar 1690 in Schwarzach begraben worden, sein Sohn Nicolaus, der bei seiner Beisetzung 1738 in Schwarzach mit dem errechneten Geburtsdatum 1690 angegeben wird, lässt im Moment die Frage offen, ob es diese Verbindung in dieser Form tatsächlich gibt. Die Originaldokumente habe ich leider noch nicht gesehen.

Woher der 1690 verstorbene Nicolaus kommt, ist nicht bekannt, sein Herkunftsort wurde nicht verzeichnet.

Es wird in der Familie erzählt, dass die Wurzeln der Familie Meister zu einem Meister-Geschlecht in St. Blasien und Fützen gehören, aber dies ist nicht (mehr) nachweisbar, dazu mehr auf der Seite zu dem Wappen der Familie Meister. Mein Großvater, Wilhelm Meister, hat nach Angaben eines Wappens, das in der Familie exisitiert, angeblich die Herkunft der Familiie bis in den Ort Fützen verfolgt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, und damit ein Anschluss an die Familie(n) Meister besteht, deren Mitglied Abt Martin Meister in Sankt Blasien wirkte, habe ich bisher nicht verfolgt, da dies in der Regel nur vor Ort wirklich erfolgreich durchgeführt werden kann.

AFamilie Carl Ludwig Meisterus Bauern wurden die Meisters zu Metzgern. Dieser Wandel von Bauern zu Metzgern hat sich als für unsere Familie wichtige Veränderung erwiesen. In den ersten Generationen war immer mindestens einer Metzger, sofern andere Söhne erwachsen wurden,  Bauern. In der Region Rheinmünster waren die Meisters seit langem bekannte Metzger, über Generationen haben Söhne (und Töchter) diesen Beruf ergriffen und sich weiter verbreitet.

Der im Moment erste Metzger namens Meister, den wir finden konnten (im Ulmer Heiratsbuch, Generallandesarchiv Karlsruhe), ist (1855 genannt bei der Hochzeit seines Sohnes Joseph) Georg Meister (1792-1870), verheiratet mit Magdalena Ott. Georgs Vater Michael wird 1819 als von Beruf Bauer genannt.

Joseph ist auch der Sohn, der ebenfalls Metzger wurde. Josephs Sohn Karl Ludwig Meister ist auf dem Foto zu sehen, schon deutlich älter, *1864 in Ulm, jetzt Lichtenau, verstorben 1929 in Ulm, Lichtenau, stehend. Seine Frau Maria Ott, 1865-1938, sitzend links neben ihm. Ganz links steht die Tochter Louise, rechts die Tochter Lina mit ihrem kleinen Sohn. Der junge Mann (2. von links) ist Alfred Meister, der ebenfalls Metzger wurde. 

In der Stollhofener Straße 7 bestand jene Metzgerei, von der aus mehrere Familien Meister ihren Beruf ausübten. 1895 gründete sein Sohn Josef Meister eine weitere Metzgerei am Standort in Greffern, Rheinmünster.

Mein Großvater Wilhelm Meister, Sohn von Carl Ludwig, hatte sich schon früh dazu entschlossen, Künstler zu werden. Als er dann "auch noch" eine geschiedene, evangelische Frau heiratete, Mathilde Rinker geborene Frank, kam es offenbar zu Unstimmigkeiten. Wilhelms Vater, Carl Ludwig Meister, ein in der ganzen Gegend bekannter und angesehener Metzger, soll - so berichten es zumindest einige Familienmitglieder - von der Entscheidung seines Sohns für den Beruf und die Frau nicht sehr begeistert gewesen sein. Durchaus nachvollziehbar, wenn man sich bewusst macht, wie erfolgreich (zweifellos durch lebenslange, harte Arbeit) die Meisters hier im Umfeld als Metzger geworden waren.

Wilhelm war während des ersten Weltkrieges als Soldat in Flandern und Belgien, dort entstand auch die Fotografie von Wilhelm Meister auf der Startseite meiner genealogischen Seite. Bereits damals malte und zeichnete er. Er hatte in Berlin und Paris Kunst studiert und arbeitete in dem Ort Steinbach bei Baden in einem Haus, das er gebaut hatte. Es enthielt ein großes Atelier, in dem er seine Bilder und Skulpturen schuf. Unter anderem war er Mitveranstalter der "ersten Bühler Kunstausstellung".




 

Wilhelm Meister vor dem Familienhaus in SteinbachWilhelm Meister

*05.04.1895, +18.01.1951

Wilhelm Meister arbeitete als Maler, Bildhauer und Fotograf.

Damit scherte er aus der Reihe der Meisters aus, die als Metzger ihren Unterhalt verdienten. Als er dann auch noch eine evangelische Frau, Mathilde Rinker, geb. Frank heiratete, die zu allem Überfluss auch noch geschieden war, hatte er sich wie es scheint endgültig als das "schwarze Schaf" in der Familie etabliert.

Er war ein Freund von Toni Merz, einem regional bekannten Maler, den er mit großer Wahrscheinlichkeit während seines Kunststudiums in an der Kunstakademie in Karlsruhe kennen gelernt hatte. Wilhelm Meister arbeitete nach der Ausbildung in Karlsruhe als Maler und Bildhauer. Leider liegen in der Schule keine Unterlagen mehr über die Schüler jener Zeit vor.

Toni Merz ist als Maler in der Region nicht unbekannt. Man bezeichnet ihn häufig als den "Schwarzwaldmaler". Er verstarb im Jahre 1966. Wie auch Wilhelm ist Toni Merz 1895 geboren und studierte ebenfalls in Karlsruhe. Obwohl es heißt, Toni Merz sei ein Lehrer von Wilhelm Meister gewesen, gehe ich davon aus, dass sie beide sich als Schüler kennen gelernt hatten. Toni Merz arbeitete im Anschluss an sein Studium als Kunsterzieher und Maler in Sasbach, einem Ort direkt neben Achern. Auf Anfrage im dortigen Museum gab es leider keine Hinweise auf Informationen über Wilhelm Meister. In Obersasbach befindet sich eine Gemäldegalerie, in der man Werke von Toni Merz besichtigen kann.

Nach Studienreisen nach Paris und Berlin ließ sich Wilhelm in Steinbach nieder und baute sich am Abhang eines der Weinberge oberhalb von Steinbach ein Haus. Auf einer Seite, direkt gegenüber des Zuweges des Hauses ging es in die Weinberge. Hinter dem Haus war ein Abhang hinunter in die Ebene, wo der Lehm abgebaut wurde, aus dem der Hügel bestand.

Mit Toni Merz und anderen Malerkollegen traf sich Wilhelm nach Erzählungen meines Vaters Michael, einer der beiden Söhne von Wilhelm Meister, und Michaels Schwester Gabi, regelmäßig in dem Haus. Dort malten sie gemeinsam, unter anderem in dem Studio, das sich Wilhelm im Haus eingerichtet hatte.Zu einer dieser Gelegenheiten malten beide jeweils ein Gemälde von Wilhelms Frau Mathilde. Leider ist nur das Bild von Toni Merz erhalten und befindet sich in unserem Besitz.

Mathillde Meister im Atelier von Wilhelm MeisterNach dem Tod von Wilhelms Frau Mathilde fiel das künstlerische Erbe auseinander. Die Gemälde und Skulpturen von Wilhelm Meister sind leider größtenteils zerstört und verschollen - zum Beispiel alle Bilder, die auf dem Foto aus dem Atelier zu sehen sind. Bei uns hängt noch ein Selbstbildnis von Wilhelm und ein Ölgemälde von seiner Schwester Martha.

Inzwischen ist das Haus abgebrochen worden, außer den beiden Pfosten rechts und links des Eingangs, an denen der Zaun befestigt war, ist nichts mehr erhalten. Das Haus stand, wie bereits erzählt, an einem Abhang, mit freiem Blick auf die Ebene. Der Abhang bestand aus hochwertigem Lehm, der für die unterhalb liegende Fabrik von großem Interesse war und Stück für Stück abgebaut wurde.

Einzelne Stücke von Wilhelm Meister finden sich noch in den Häusern der verschiedenen Mitglieder der Meisters - geschätzt und durchaus gehegt.

Sein Werk umfasste neben Skizzen und Zeichnungen (darunter ein Skizzenbuch mit Zeichnungen aus dem ersten Weltkrieg, den Wilhelm als Soldat in Flandern erlebte), Gemälde (z.B. "Die Lesende" - siehe Katalog der Bühler Kunstausstellung), häufig Landschaftsbilder und Stillleben (siehe Fotos aus dem Atelier links), sowie verschiedene Skulpturen und Figuren.

Vermutlich war Wilhelm nicht sehr erfolgreich beim Verkauf seiner Werke, bei weitem nicht so bekannt wie sein Namensvetter, dem Goethe mit seinem Werk ein Denkmal setzte - und der Namensgeber der Straße war, in der das Haus der Meisters stand: Meister-Erwin-Straße.

Um Geld zu verdienen, vermietete Wilhelm beispielsweise im Sommer Räume in seinem Haus für Sommerfrischler aus den Städten (darunter auch den Arbeitgeber seiner späteren Ehefrau Mathilde, die er genau so auch kennenlernte), oder entwarf unter anderem auch Etiketten für Weinflaschen, eines davon für die Winzergenossenschaft Umweg in Baden-Baden. Dieser Wein trug den Namen "Stich den Buben". Noch heute ziert dieser piekenbewehrte Soldat das Etikett des Weines. Seit 1959 war "Stich den Buben" ein Markenzeichen der Winzergenossenschaft. Dieser Wein entsteht auf einer der ältesten Weinlagen Deutschlands.

Wilhelm Meister als Soldat im 1. WeltkriegSchon als junger Mann, als Soldat an der Westfront während des 1. Weltkrieges, malte und zeichnete Wilhelm Meister. Aufgrund einer schweren Verletzung, die er im ersten Weltkrieg erhalten hatte, wurde er im zweiten Weltkrieg glücklicherweise nicht mehr eingezogen.

Nach Ende des 2. Weltkrieges war Wilhelm einer der Initiatoren der "ersten Bühler Kunstausstellung". Zusammen mit einigen Künstlern, die sich "die Gruppe" nannten, stellte er im dortigen Rathaus seine Werke aus.
Wie bereits erwähnt war Wilhelm nicht nur Maler, sondern auch Bildhauer. Unweit des Ortes Greffern steht ein zurückgesetztes Wegkreuz, das man von der Straße aus kaum entdeckt, wenn man nicht weiß, dass es da steht. Dieses Kreuz stammt von Wihelm Meister.

Dieses Kreuz wurde von einer Familie in Auftrag gegeben, die mit "meinen" Meisters verwandt war. Es sollte an den Sohn dieser Familie erinnern, der im ersten Weltkrieg gefallen ist. Wie es heißt, trägt der Corpus die Gesichtszüge dieses jungen Mannes.

Wilhelm Meister starb am 18. Januar 1951 in Seesen durch einen Verkehrsunfall. Er war damals gemeinsam mit einem Journalisten unterwegs, um in Braunschweig seine Arbeiten auszustellen. In einer Haarnadelkurve verlor der Journalist die Kontrolle über den Wagen und das Fahrzeug kollidierte mit einem LKW. Der Journalist, der den Wagen gefahren hatte, konnte noch rechtzeitig herausspringen. Wilhelm, der im Fond des Wagens saß, schaffte es nicht mehr. Er starb wenige Stunden später in einem Seesener Krankenhaus.

Auf der Staffelei in seinem Haus in Steinbach stand noch das unfertige Bild seiner jüngsten Tochter Gabriele, an dem er gerade gearbeitet hatte. Es wurde von einem der Freunde Wilhelms, Hannes Loos, fertig gestellt.
 

 

 


 

 

 

Familie(n) Nack (aus Gierstädt)

 

Kartenausschnitt Gierstädt Auszug aus der Familien-Chronik der Familie Nack

 

Den folgenden Text, angefertigt von Albert Nack, erhielt meine Großmutter Ingeborg vor vielen Jahren durch Gisela Bühler, Tochter von Toni Amthor (geb. Nack). Sie bildeten den Anfang der Suche nach den Familien Ritzenhoff ⇒ ****LINK***, Nack und Orphal ⇒ ***LINK**.

Es gehört zu meinen ersten Erinnerungen an die Beschäftigung mit der Geschichte unserer Familien, im "kleinen Zimmer" der Ditzinger Wohnung meiner Großmutter Ingeborg ⇒***LINK***Uebel, geb. Ritzenhoff zu sitzen und mit ihr durch die Kopien und Zeitungsausschnitten zu blättern, die Gisela Bühler immer wieder mit ihrer Cousine teilte. Sie verfügte über einen unglaublichen Fundus an den unterschiedlichsten Materialien - alten Zeitungsausschnitten und Stammbäumen, Urkunden und Fotos, Büchern über Thüringen. Dank Gisela Bühler konnten wir einen großen Sprung in die Vergangenheit machen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem von Gierstädt ⇒***LINK*** der größte Teil der Familien Nack in die USA auswanderte ⇒.

 
Heinrich Christian Nack und Ehefrau Caroline, geb. Orphal Vorbemerkung:
Bei den im Folgenden genannten "Großeltern"
hand
elt es sich um Heinrich Christian Nack
(den Sohn
des Ehepaares Johann Melchior Nack
und Anna Maria Cott), und Caroline Nack,
geborene Orphal,
Ehefrau von Heinrich Christian,
die im Text genannte "Großmutter".
Der zitierte Text stammt, wie erwähnt, von Albert Nack.

"Vom Großvater Heinrich Christian, den ich selbst nicht kennenlernte,
er sta
rb ja schon 1883, sagte mir Vater, daß er ein großer und gut
beleibter Mann gewesen ist.

Von Gierstädt kam er als junger Mann nach Gotha zum Militär, Inf.
Rgt.95, unter dem damaligen Herzog Ernst, welcher ein großer Nimrod
(Jäger) war. Großvater erhielt in dem Gefecht bei Eckernförde 1849
als Sergeant (jetzt Feldwebel) das Ehrenkreuz und wurde dann später
vom Herzog Ernst als "Waldwart" in Reinhardsbrunn bei Friedrichroda
angestellt. Hier lernte er auch seine Frau, unsere Großmutter Karoline
kennen, eine der 7 Töchter des Waldwartes Orphal, welcher auf der
Tanzbuche bei Friedrichroda seine Revierwohnung hatte.

Der Großvater wurde dann nach Gotha versetzt und behütete vor allem
den Boxberg und Krahnberg. Nachdem er aber Herzasthma bekam,
wurde er auf dem Herzogl. Holzhof in Gotha vom Herzog als Holzvogt
(heute Inspektor) eingesetzt. Auf dem Holzhof wurden damals die in
den herzoglichen Forsten geschlagenen Hölzer auf dem Leinakanal
nach Gotha geflößt und hier gestapelt zur Weiterverwendung. Die
Verwaltung dieses Holzhofes hatte unser Großvater bis zu seinem Tode
im Gothaer Schloss am 17.01.1883. Er wurde auf dem Friedhof V in
Gotha begraben.
Sein Grab wurde von unseren Eltern und später von uns Kindern gepflegt,
bis es eingeebnet wurde.

Großmutter Nack geb. Orphal zog dann zu den Eltern in die Bismarckstr.
Nr. 2 und konnte noch die Geburten der Enkelkinder Robert, Toni und
meine erleben, denn der älteste Bruder Ernst war ja schon 1885 in New
York USA geboren, bis sie 7.3.1895 ihre Augen für immer schloß.

Sie starb an der bösen Krankheit Brustkrebs. Auch sie fand ihre letzte
Ruhestätte auf dem Friedhof V Gotha, und ihr Grab wurde in der gleichen
Weise gepflegt bis zur Einebnung, wie das mit dem Grab des Großvaters
geschah. (...)"

 

Durch diese Ehe von Heinrich Christian und Caroline Orphal verband zwei Familien mit Wurzeln in Thüringen, wobei die Orphals ⇒ ***Link*** über lange Jahre als Waldwarte oder Förster in den Diensten der Thüringer Wetteriner standen, die Nacks hingegen standen erst mit dem offenbar sehr tatkräftigen Heinrich Christian Orphal im Dienste der Herzöge zu Sachsen-Gotha ⇒ ***LINK****.

Heinrich Christians Familie lebte in Gierstädt ⇒ ****LINK***** und laut eigenen Angaben bei der Auswanderung ⇒ ***LINK*** arbeitete sein Vater Johann Melchior Nack als Farmer/Gardener. Die Familie bestand inclusive der Eltern aus mindestens 8 Personen. Zur damaligen Zeit war jeder junge Mann, der im Herzogtum lebte, im Jahr seines 21. Geburtstags bei der zuständigen ..... zu melden und den Militärdienst anzutreten. Als Mitglied des Deutschen Bundes war auch das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha dazu verpflichtet, im Kriegsfall Soldaten zur Verfügung zu stellen.

Folgender Ausschnitt aus dem "Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogthum Gotha" aus dem Januar 1852 zeigt den offiziellen Aufruf der herzoglichen Regierung an alle jungen Männer mit dem erreichten 21. Lebensjahr aus dem Bereich Gotha, sich bis Ende des Monats Januar 1852 bei dem jeweiligen Polizeibüro zu melden. Und darüber hinaus anzuzeigen, dass sie dazu bereit sind, den Militärdienst anzutreten. Dies galt natürlich auch für alle Söhne der Familie Nack.

Nach dieser Regelung hätte sich Heinrich Christian (März 1825 – Januar 1883) also 1846 bei der Polizei melden müssen, um den Militärdienst anzutreten. Wäre er dann großzügig berechnet, 1846 oder 47 eingetreten, hätte der Militärdienst vier Jahre dauern müssen - denn Heinrich Christian war definitiv beim Gefecht bei Eckernförde dabei. Ich habe nicht wirklich herausfinden können, wie in diesen Jahren die Regelungen zum Dienst im Militär waren, ich fand eine Regelung von 1855, bin aber im Zweifel, ob sie sich ähnlich für die Phase vor 1852 anweendbar gewesen ist. Heinrich Christian wird nach seinem Militärdienst nirgendwo als Soldat genannt. Ausschnitt - Eckernfoerde am 5. April 1849 (Herzog Ernst II. zu Pferde in Eckernförde)Wie wir wissen, wurde Heinrich Christian nach Gotha eingeteilt und nahm als Sergant (Feldwebel) im Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 95 unter dem damaligen Herzog Ernst an dem Gefecht bei Eckernförde teil. Nebenan ein Ausschnitt einer berühmten Lithographie jener Zeit, das eine Szene des Gefechtes bei Eckernförde zeigt (Original, F.S. Hanfstaengl: Eckernfoerde am 5. April 1849 in den Kunstsammlungen der Veste Coburg). Die Tatsache, dass Heinrich Christian für seine Leistungen einen Orden erhielt, ist übrigens kein Beweis herausragender Leistungen. Es wird auch kein Ehrenkreuz gewesen sein, sondern wahrscheinlich viel eher das Erinnerungskreuz, das anlässlich des Gefechts von Herzog Ernst gestiftet wurde (Quelle des Bildes: https://www.ehrenzeichen-orden.de)

Meine Verbindung zu den Familien Nack-Orphal aus dem Raum Gierstädt-Gotha besteht über Catharina Hempel, meine Urgroßmutter. Sie war die Mutter meiner schon erwähnten Großmutter Ingeborg Uebel ⇒ ***LINK*** geborene Ritzenhoff ***LINK**.

Catharina Charlotte Hempel, verheiratete Ritzenhoff, genannt Käthe - meine Urgroßmutter

Catharina Hempel war die Tochter von Marie Nack, einer Tochter der Eheleute Heinrich Christian Nack und Caroline Orphal und Ernst Hempel. Marie Nack ihrerseits war die Tochter des oben bereits erwähnten Heinrich Christian Nack, der nicht mit seinen Eltern auswanderte, und dessen Frau Amalie Friedericke Wilhelmine Caroline Orphal.
Sie ist die älteste meiner Vorfahren, die ich kennenlernen durfte. Leider war ich damals noch zu jung, um sie nach Geschichten der Familie zu fragen, und sie hat nichts aufgezeichnet oder an meine Familie weitergegeben. Durch ihre Heirat mit Helmut Ritzenhoff stellte sie die Verbindung zwischen dem Vorfahrenteil der Lehrerfamilie Hempel und der des Hausvaters des Wilhelmstifts Ritzenhoff ⇒ ****LINK**** aus Bad Frankenhausen und somit auch den Familien der (Glas)Becker⇒ her.

 

Probleme der Abstammung von Johann Melchior Nack - Familientafel Familien Nack-Orphal (Ausschnitt)

Die folgende Übersicht "unserer" Familien Nack entstand anhand der Familien-Chronik, die wir von Gisela Bühler erhielten.

Über Johann Melchior Nack, den "Auswanderer" und Heinrich Christoph Nack gelangten wir zu Nicolaus und Georgius Nack, und schließlich Honorius Nack als dem ersten bekannten Nack, aus Gierstädt mit dem ältesten bekannten Wohnort. Johann Melchior Nack hatte mehr Söhne als nur diesen einen. Wieviele es genau waren, ist uns (den Forschern unserer Familien Nack) noch nicht ganz klar (mehr dazu im Artikel über die Auswanderung der Nacks ⇒***LINK***), es waren bei der Auswanderung angeblich nach behördlichen Angaben "2 bereits verheiratete" darunter. Inzwischen bestehen Kontakte zu verschiedenen Nachfahren der Nack-Familie in den USA.

Einträge in diversen Internetplattformen stellten Verbindungen dar, die sich nicht halten ließen, die sehr wahrscheinlich fehlerhaft sind - aber doch einzeln durchgepflügt werden Ausschnitt aus Todesurkunde Catharina Friedrich, geb. Nackmüssen. Dazu gehört beispielsweise war die Frage, ob es denkbar sein könnte, dass Johann Melchior ein weiteres Kind in Süddeutschland hat. Anhand der Todesurkunde der als vermutliche Tochter genannten Frau steht zwar ein Johann Nack als Vater, als Mutter allerdings eine Anna Maria geb. Berg. Der Familienname Nack taucht allein in den Ergebnislisten von Familysearch in unterschliedlichen Regionen Deutschland so häufig auf, dass ich starke Zweifel daran habe, dass eine Verbindung zu "unseren" Nacks besteht. Neben solchen Fragen wie "ist eine so weite Wanderbewegung zur damaligen Zeit für eine alleinstehenden Frau denkbar", "was könnte eine solche Wanderbewegung überhaupt ausgelöst haben", "wie erklärt man Ahnenforschern aus nichteuropäischen Ländern mit vollständig anderem Erfahrungshintergrund, dass allein schon aus politischen Gründen/Gründen der territorialen Zersplitterung/politischen Geschichte ein solcher Umzug, ein Wechsel zum katholischen Glauben eher unwahrscheinlich war" ist es nicht ganz einfach zu entscheiden, wie man mit diesen Einträgen umgeht.

Stammbaumteil Bettina Meister zu Johann Melchior Nack und Anna Maria Cott

Unstrittig ist, dass Heinrich Christian Nack, mein direkter Vorfahr, ein legitimer Sohn von Johann Melchior Nack und dessen Frau Anna Maria Cott war und aus Gierstädt stammte.

Ebenso war in der Familie bekannt, dass die Eltern von Heinrich Christian Nack ausgewandert sind, jedoch gingen wir bei Johann Melchior unter 4. als Auswanderungsdatum vom Jahr 1840 aus.

Quellen Familientafel Familie Nack

Die abgebildete Vorfahrenliste der Familie Nack wurde von Gisela Bühler 1988 erstellt, anhand von Daten, die sie von Lother Nack erhielt.

Auch die ersten Informationen über die Abstammung der Glasbecker und die Ritzenhoffs stammten von der bereits genannten Gisela Bühler, eine wirklich unschätzbare Ausgangsbasis für die Forschung.

Bei der Familie Nack begannen die Fehler bei Johann Melchior. Laut der Vorfahrenliste ist Johann Melchior am 25.5.1799 geboren, es tauchen in Gierstädt jedoch noch mindestens zwei Johann Melchior auf, kommen allerdings nicht unbedingt als Ehefrau von Anna Maria Cott in Frage.

Bei einem Geburtsdatum 31 Mai 1739 in Gierstädt wird ein Simon Nack als Vater angegeben, was diesen Johann Melchior Nack eher weniger wahrscheinlich zu "unserem" Johann Melchior macht.  Eine andere Geburtsangabe 1812 kann bei einer Eheschließung in 1823 nicht stimmen, Volckmar Nack taucht mit dem Geburtsjahr von Johann Melchior 1774 auf, was wie bereits erwähnt hinsichtlich der Altersangaben der Auswanderer und des Ehepartners von Anna Maria Cott nicht passt.

Für 1799 als Geburtsdatum von Johann Melchior spricht die Angabe der Shippinglist und späterer Census Angaben in den USA, wo Johann Melchior durchgängig mit dem errechenbaren Geburtsjahr 1799 auftaucht.

Natürlich haben Ryan Nack und ich jede Menge Spekulationen angestellt und haben jede Menge Ideen, wie sich die offenen Fragen/Widersprüche in der Familie Nack in Gierstädt erklären lassen ... das ist alles immer wieder spannend und sorgt dafür, dass man einen Abend im Chat verbringen kann ... trägt jedoch nur eingeschränkt zur tatsächlichen Lösung des Problems bei.

 

GKartenausschnitt Gotha-Erfurt-Langensalzaierstädt - und die Nacks

 

1. Allgemeines

2. Mittelalter, Reformation, 30jähriger Krieg

3. bis zur Revolution von 1848 / Auswanderung der Nacks von 1852

4. Gierstädt und die Nacks nach 1852

5. Gierstädt - Anmerkungen

 

1. Allgemeines

Gierstädt, 16 Kilometer von Gotha entfernt, ist eine kleine Ansiedlung, die sich wie viele andere fast überall in deutschen Regionen bildete - und in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit - und mehr oder weniger begünstigt von den jeweiligen regionalen iBedingungen über Jahrhunderte existierten. Es ist ein Dorf am nördlichen Abhang des Fahnerberges, der bewaldeter Teil eines Vorgebirges des Thüringer Waldes ist. Abhängig von unzähligen Faktoren bilden sie die Geschichte der großen Breite einfacher Menschen ab, die außerhalb der Städte als Tagelöhner, Bauern, Handwerker - erst  anhängig dann frei - ihr Leben zu meistern versuchten.

Der größte Teil von ihnen und ihre Nachkommen blieben nicht in den kleinen Dörfern sondern wanderten ab, heirateten in eine mehr oder weniger entfernte Fremde, gingen in die Städte, in Industrieregionen - oder sogar bis in die damals Neue Welt.

Diese Menschen und ihre Geschichten sind genau das, was mich besonders interessiert, denn sie existieren fast nur noch in dürren Lebensdaten weiter. Unsere Familien lebten weit überwiegend in solchen kleinen Ansiedelungen oder Klein(st)städten (unabhängig von der Existenz eines eventuellen Stadtrechts), sei es Ulm Lichtenau im Badischen ⇒ und viele Ortschaften im Umfeld des Klosters Schwarzach ⇒*****LINK***, Gingen an der Fils oder Göppingen im Schwäbischen ⇒****Link`????****, Wickenrode, Helsa oder Rommerode in Nordhessen ⇒****Link!!*** oder eben Gierstädt und andere thüringische Orte im Raum Gotha.

Bei Gierstädt beginnen die Rätsel bereits mit dem Erklärungsversuch des Ortsnamens. Über die Zeiten hinweg veränderte sich der Name weniger als man vielleicht erwartet könnte, zumindest soweit es in den historischen Belegen dokumentiert ist. Erste Nachweise gibt es für das damalige "Gerstete" bereits seit 1288, bis 1506 praktisch unverändert. Erst dann kam es zu einer Verschiebung des "e" in "Ger" zu einem "i", später "ie" und aus "stet" wurde zunächst "stedt" und erst spät das heute bekannte "städt".1 Gierstädt taucht schon relativ früh als besiedelte Fläche auf. Bereits im Frühmittelalter wird es in einer Urkunde erwähnt, allerdings nicht als feste Siedlung. In Urkunden tauchten Bezeichnungen auf wie Hermannusde Gerstete (1293), villeGerstete (1316), Kuno de Gerstete (1318), villa et campis Gerstete (1323, in mittelalterlichen Karten die Bezeichnung für ein einzelstehendes Gehöft mit dazugehörenden Feldmarken) oder Gierstedt (ab 1756). Unter der Namensbezeichnung Gierstedt habe ich auch online den größten Teil an Literatur gefunden.

In dem derzeit einzigen Buch, das die historischen Ortsnamen der Region Gotha behandelt, wird von Christian Riese als Ursprung des Namens beschrieben, dass Gēr-stete tatsächlich als Grundform des Namens anzusetzen sei. Wahrscheinlicher als ein "Ger" (Eigenname) und "-stedt" (Siedlungsort), also Siedlungsort des Ger, sei für ihn jedoch eine Erklärung mit regionalem Bezug. Statt eines Vornamens wäre gēro in dem Fall mittelhochdeutsch gēre „keilförmiges Stück Land, Schoß; langgezogenes dreieckiges Stück“. Bis nach Norddeutschland ist das Wort gêre in Flurnamen bekannt, und heute noch wird eine Eckverbindung als Gehrung bezeichnet.

Das würde den Namen also etwa als "Siedlung im Winkel, in einer Einbuchtung“ erklären. Wenn man auf einer Karte die Lage Gierstädts betrachtet, bestätigt sich diese Erklärung, denn Gierstädt liegt in einem Winkel am Hang der Fahner'schen Höhen.

Gemeinsam mit Groß- und Kleinfahner, zwei Dörfern in der unmittelbaren Nachbarschaft, gehörte Gierstädt zum Besitz der adelligen Familien von Seebach. Seit dem frühen 15. Jahrhundert waren diese die herrschende Familie in der Region Fahner Höhe. Bis 1463 gehörte, die Dörfer den Herren von Vanre, die es damals an die von Seebach verkauften. In deren Besitz war es bis 1839.  Aufgrund der großen räumlichen Nähe und der gemeinsamen Verwaltung gibt es auch geschichtlich große Gemeinsamkeiten, und es ist davon auszugehen, dass die meisten Geschehnisse, die einen Ort betreffen, auch die beiden anderen in Mitleidenschaft gezogen haben werden - abgesehen von wahrscheinlich ausgesprochen regionalen Ereignissen wie ein Feuer etc.

2. Gierstädt (und Fahner Höhen) im Mittelalter, Reformation, 30jähr. Krieg

Angesichts der vielen Unglücke, die über das kleine Gierstädt seit der Existenz von Aufzeichnungen hereingebrochen sind, ist es ein Wunder, dass der Ort überhaupt noch existiert - statt wie so viele andere abgegangen zu sein, beginnend beispielsweise 1225/26 als schwere Missernten und Hungersnöten im ganzen Herzogtum Gotha herrschten, oder im Jahr 1348, als von einem schweren Erdbeben in Thüringen berichtet wird.

Wie überall sonst wurde auch das Herzogtum Gotha vom Auftauchen der Pest nicht verschont. Zwischen dem ersten bekannten Auftreten der Empidemie in Erfurt 1349/50 und dem letzten 1636 sind sechs Ausbruchswellen im Herzogtum bekannt. Mit welcher Wucht die Pest die Orte traf, sieht man an dem erschreckenden Wüten in Gierstädt:
Am 11. Juli 1636 brach die Krankheit in Großfahner aus, nur wenige Kilometer weiter war auch Gierstädt unweigerlich betroffen. Von den knap 300 Einwohner waren nach dem Ausbruch 227 tot - knapp 90% der Bevölkerung wurden ausgelöscht.

Und als ob das nicht schon genug war, brachten Soldatenströme der unterschiedlichsten Parteien, die kreuz und quer den Heeresstraßen in die unterschiedlichsten Richtungen zogen, zusätzlich einen anderen Schrecken mit sich. Der 30jährige Krieg. Ab etwa 1630 war das Gebiet um Gotha von den Kämpfen betroffen, nachdem die verschiedenen Teilkriege ,.... ausgebrochen waren. ..... zählt als Beginn des 30jährigen Krieges. Die unterschiedlichen Armeen zogen häufig durch Thüringen mit seiner zentralen Lage, zumeist in einer Linie von Südwest mit Baden und der Pfalz über nördliche Teile von Bayern und Hessen, Thüringen und Anhalt, nach Nordost mit Brandenburg, Mecklenburg und Pommern (heute als die "Zerstörungsdiagonale" des 30jährigen Krieges bezeichnet). Wesentlich weniger betroffen war beispielsweise die Region hier oben in den Holsteinieschen Marschen als relativ abgelegenes, wenig interessantes Gebiet.

Es gibt historische Berichte von den unterschiedlichsten Menschen jener Zeit über das Leid, das die verschiedenen Soldaten mit ihren enormen Trossen verursachten - von Soldaten wie deqm Landsknecht Peter Hagendorf (siehe Auszug2 links) aus Zerbst im heutigen Sachsen-Anhalt beispielsweise oder des Maurus Friesenegger(siehe Auszug3 rechts), Abt im oberbayerischen Kloster Andechs In Form von Tagebüchern schilderten Hagedorn, Friesenegger und einige andere ihre Erlebnisse während des 30jährigen Krieges.

Maurus Friesenegger kannte als Abt nicht nur die Situation der Klosterbrüder, der Mönche in anderen Klöstern, sondern war ausgesprochen gut informiert über die Vorgänge in den verschiedenen Städten und Orten in seiner Region und darüber hinaus.

Diese beiden genannten Bücher bieten sehr unterschiedliche Blicke was es natürlich besonders spannend macht, sie zu lesen: Einmal der Söldner, etwas anderes war Hagendorf nicht, der alles andere als ein Kriegsheld war, und der Abt mit seinen Berichten über das Leid der Menschen auf dem Lande. Was die Menschen damals durchgemacht haben, kann man allenfalls erfassen, wenn man diese Bücher liest, die aus den Erlebnissen einiger weniger Menschen stammten, die zu der Zeit lesen und schreiben konnten. Leider habe ich kein Tagebuch aus Thüringen gefunden.

Für Thüringen war die Lage wie schon erwähnt fatal. Die alte Heerstraße des Rennsteigs war die "Schnelimages/genea/nackorphal/Friesenegger_Maurus_Chronik_whrend_des_dreiigjhrigen_Krieges_18-3.jpglstraße" für die kämpfenden Truppen von Sachsen aus, die über die Höhen des Thüringer Waldes im katholischen Bereich  Bayerns/Frankens einfallen konnten. Sie erreichten Coburg und Nürnberg, gerade Nürnberg ein bedeutendes Zentrum,  und von der Thüringer Höhe auf dem Rennsteig aus kam man über die anschließenden Heerstraßen weiter nach Baden, oder von dort nach Nordosten. Ähnlich war es in Nord-Süd-Richtung. Unschwer zu erkennen, welche Folgen diese Lage Thüringens mit sich brachte.

Es war Tilly mit den kaiserlich Soldaten auf dem Weg nach Sachsen, der 1630 als erster Truppenkommandant durch das Thüringer Becken nach Nordosten zog. Eine Darstellung des 30jährigen Krieges an dieser Stelle ist ebenso wenig sinnhaft wie eine Beschreibung aller bekannten Geschehnisse in Thüringen.

Die Auswirkungen dieser Pandemie(n) und schier endlosen kriegerischen Auseinandersetzungen hatten auch in Gierstädt schier unfassbare Auswirkungen. Waren 1626 starben von 62 Familien, Alleinstehenden, Gesinde etc 230 Personen gestorben. Es ist kaum vorstellbar wie es gewesen sein musste, durch seinen Heimort zu gehen , die es in Gierstädt gegeben hatte, 62 Ehepaare, starben nur ein Jahr später ca 230 Personen an der Pest. 

Überall werden Menschen und Städte soweit möglich auf den Ernstfall eines Angriffs vorbereitet: Die Stadt Gotha wird zu einer Garnison ausgebaut, ebenso wie Erfurt und Eisenach. Erfurt war mehr als 15 Jahre von schwedischen Truppen besetzt und wurde von diesen zu einer starken schwedischen Festung ausgebaut. Zu dem Zeitpunkt waren verschiedene Teile von Thüringen bereits von den schwedischen Truppen besetzt worden, die sich inzwischen in die Kämpfe eingemischt hatten. Nach der Durchquerung Thüringens führte der Weg den Haupttross quer durch Bayern nach Süddeutschland, wo 1632 die Schlacht am Lech stattfand. Es warern jedoch nicht nur die großen Truppen mit dem gesamten Tross an ihnen folgenden Menschen, die sich durch die Lande wälzten und vom Lande lebten. Immer wieder waren kleine Gruppen mit 20, 30, 100 Mann zu Fuß oder zu Pferde unterwegs in die eine oder die andere Richtung. Dass es nicht nur die großen Truppen und die großen Schlachten waren, die den 30jährigen Krieg prägten, kann man in Berichten der Coburger Staatschronik nachlesen. Obwohl Coburg im Besitz des evangelischen Sachsens war, lag die fränkische Kleinstadt mit fast allen Grenzen an die fränkischen katholischen Besitzungen - und war beständig Ziel von Angriffen, Übergriffen und Plünderungen. Viele Menschen, die überlebten, wanderten ab, kehrten nicht zurück und Der tatsächliche Bevölkerungsverlust lässt sich auch nur schwer und genau feststellen, da aus vielen Regionen die Menschen nicht nur flohen, sondern für immer Abwanderten und nicht wieder in ihre Heimat zurückkehrten.

3. bis zur Revolution von 1848  / Auswanderung der Nacks von 1852

Waren 1625 in Gierstädt noch 62 Ehepaare, starben nur ein Jahr später ca 230 Personen an der Pest. 1702 war die Zahl der Bewohner auf gerade einmal etwa 250 Personen gestiegen, noch über 100 Jahre später war die Einwohnerzahl nicht signifikant gestiegen, 1817 waren es nämlich 50 Ehepaare bei ca. 250 Einwohnern. Heute besitzt Gierstädt weniger als 900 Einwohner. Das Buch "Heimathskunde für die Bewohner des Herzogthums Gotha: Geographie des Herzogthums Gotha, Band 1 Geographie des Herzogthums Gotha" von 1845, nennt in Gierstädt gerade einmal 70 Häuser mit insgesamt 289 Einwohnern.

Als die evangelische Kirche in der Phase von ca 1580 bis 1640 Visitationen in Thüringen und Franken durchführte um zu sehen, wie sich die noch vergleichsweise junge Kirche so schlug, war gerade eine Phase großer "Ernsthaftigkeit", starker Moralität und eher Sinnesfeindlichkeit, worin man nicht nur das Zeichen eines guten Christenmenschen sah, sondern auch eine Abgrenzung von der katholischen Kirche.

Erstaunlich ist ein Zitat aus der Visitation, die Gierstädt erwähnt:

(..) [gegen] auch unter den Gemeindegliedern allenthalben eingerissene Trinksucht waren die Visitatoren so gut wie machtlos***).  Wir sahen ja bereits, wie sehr selbst der geistliche Stand von diesem deutschen Nationallaster ergriffen war, wie keine Taufe und keine Hochzeit gefeiert wurde, ohne beim festlichen Gelage dem Trünke zu fröhnen. „Fressen und Saufen bis an den hellen Morgen" entsprach dem Zuge der Zeit. Oft vertrinkt der deutsche Bauer Haus und Hof.

Und Franken war eine gewaltige „Zechprovinz". In Römhild trinkt ein Weib täglich 5 Maas Wein. Allgemein verbreitet war im gesegneten Frankenland der Weinbau.

Thüringen weist dagegen einen namhaften Branntweinkonsum auf. Das kleine Dorf Gierstädt hatte vier bis fünf Branntweinhäuser. Auch in der Stadt Gotha muss viel Branntwein gebrannt worden sein.

Auf die Klage der dortigen Geistlichkeit über das eingerissene Branntweintrinken berichtet der Stadtrat: „Es wehre ihnen nichts lieber, als dass das Branntweinbräuen am Waitzten gänzlich abgeschafft, oder doch nur etlich wenig Personen zugelassen werde, weil denn vordessen durch einen fürstlichen Bevehl mehr nicht denn dreyen dasselbe zugelassen. Sie bitten ernstlich, dass es auffs neue durch einen fürstlichen Bevehl abgeschafft werde , weill es ja grosse Sünde, dass die edle Gabe des Waitzens so übell angewendet werde."


Johann Gerhards Visitationswerk in Thüringen und Franken,
herausgegeben von Berbig, Georg,
Gerhard, Johann, 1582-1637, Visitations, Ecclesiastical, Gotha

 Eine großartige Quelle für die Einwohner in Gierstädt um 1700/02 ist das Häuserregister, das Ulrich Oberegger, zu jener Zeit Pfarrer der evangelischen Kirche, erstellte. Damals wurde in den evangelischen Gemeinden ein Kommunikantenregister geführt, in dem festgehalten wurde, welche Gemeindemitglieder das Abendmahl besuchten, und anhand dieser Register ergaben sich folgende 50 Häuser und deren Bewohner für Gierstädt. Anbei die Daten von Pfarrer Oberegger als PDF ⇐  zum Nachlesen.

Die Gemeinde Gierstedt bei Grossfahner in Gotha
nach den Wohnhäusern geordnet,
mit den Geburtsdaten der Bewohner versehen,
von Pfarrer Ulrich Oberegger daselbst
zusammengestellt und abgeschlossen am 24.11.1702

nach den Komunikantenregister vom Jahre
1625 waren damals 62 Ehepaare in Gierstedt,
1626 starben ca 230 Personen an der Pest,
1817 waren es 50 Ehepaare und
die Zahl der Seelen betrug (wie im Jahre 1702) ca 250.

(Auszug aus den Registern der Kirche zu St. Bonifacius in Gierstedt;
bei einigen Personen fehlen die Geburtsdaten oder sind unleserlich)

Haus Name der Familie Anmerkungen 
Haus 1: Anna Grässer 
Haus 2: Melchior Reichart 
Haus 3: Nicolaus Stenke 
Haus 4: Johann Ernst Beerwolf
Haus 5: Nake Christoph Severus Nake (*18.12.1667), Anna Maria uxor Cath. Elis. (*11.10.1695) 
Haus 6: Christopherus Montag 
Haus 7: Laurentius Ebenretter 
Haus 8: Heinrich Kallenberg 
Haus 9: Christoph Lenze 
Haus 10: Johanna Zirfus 
Haus 11: Johannes Kolbe 
Haus 12: Johanna Voigt 
Haus 13: unbewohnt,
ehemals(?) Gottfried Wagner,
nunc Cath. Martha Kolbe 
Haus 14: Elisabeth Kluge 
Haus 15: + Martin Blauert 
Haus 16: Georg Blau 
Haus 17: Johann Christoph Gewalt 
Haus 18: Hans Georg Gewalt 
Haus 19: Nicol. Voigt,
Mathias Gewalt
Madgdalene Oswald
Haus 20: Adam Buffleb 
Haus 21: Jeremias Peter 
Haus 22: Conrad Stuckart 
Haus 23: Cath. Körber 
Haus 24: Joh. Adam Gewalt
Hans Adam Oswald 
Haus 25: Anna Cath. Körber 
Haus 26: Hans Adam Gewalt 
Haus 27:  Joseph Berger  
Haus 28:  + Cath. Gewalt Andreas Gewalt 
Haus 29: Gottfried Reinhardt 
Haus 30: Joh. Christoph Rehaus 
Haus 31: Barbara Wigand 
Haus 32: Johannes Hochheim 
Haus 33: Jacobus John. (? )
Haus 34: Dietrich Kolbe 
Haus 35: NACK

Georg Nack (*15.10.1650)
Margareth Ehefrau (*9.5.1659)

Melchior (*28t.10.1680),
Catharina Martha (*31.3.1683),
Marg. (*25.2.1686)

Children:
Nicolaus (20.10.1688)
Heinrich (9.2.1691)
Hans Georg (30.4.1696)
Cath. Magdal (18.2.1701)

 
Haus 36: Nicol. Buffleb 
Haus 37: Joh. Andreas Rehaus 
Haus 38: Volkar Oswald 
Haus 39:  + Martha Oswald 
Haus 40:  leerstehend 
Haus 41:  leerstehend,
davor Cath. Weber 
Haus 42:  Cath. Rehbock 
Haus 43: Nic. Wigand 
Haus 44:  Hermann Eward 
Haus 45: Joh. Melchior Zierfus,
Gottfried Buffleb 
Haus 46: NACK

Heinrich Nack (*7.2.1657),
Martha Barb Ehefrau (*26.6.1663),

Martha Cath (9.7.1682),
Maria Magd. (18.1.1685),
Simon (23.10.1688),
Anna Martha (1.6.1695),
Johannes Heinrich (*27.9.1698)

 
Haus 47: Elias Zierfus 
Haus 48:

Heinrich Buffleb
Hans Buffleb

Haus 49: Friedrich Unbescheid 
Haus 50: Laurentius Kerstett 
Haus 51: leerstehend,
Appach 
Haus 52: Catharina Wagner 
Haus 53: Hans Cranichfeld 
Haus 54: Christoph Strauberg 
Haus 55: Hans Stoy,
Elisabeth Morge 

Quelle: Roland, Verein zur Förderung
der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde
9. Jahrgang, 1909, S.33

 

 Wie aus der Liste hervorgeht, gibt es mindestens 2, eher 3 Familien mit dem Namen Nack, bzw. Nacke. Übrigens ist der Name Nacke in der Region ausgesprochen häufig - in Gierstät, Gotha, Erfurt ...

  1. Georg Nack (*15.10.1650) mit Ehefrau Margareth (*9.5.1659)
    sowie die 7 Kinder (vermutlich werden über 14-jährige - Konfirmierte - nicht mehr als "Kinder" bezeichnet)
    • Melchior (*28t.10.1680) (offenbar taucht der Vorname Melchior bereits sehr früh in den Familien Nack auf)
    • Catharina Martha (*31.3.1683),
    • Marg(arethe) (*25.2.1686)
    • Nicolaus (*20.10.1688)
    • Heinrich (*9.2.1691)
    • Hans Georg (*30.4.1696)
    • Catharina Magdalena (*18.2.1701)
  2. Heinrich Nack (*7.2.1657) mit Ehefrau Martha Barb(ara) (*26.6.1663),
    sowie die 5 Kinder
    • Martha Catharina (*9.7.1682),
    • Maria Magdalena (*18.1.1685),
    • Simon (*23.10.1688),
    • Anna Martha (*1.6.1695),
    • Johannes Heinrich (*27.9.1698)

 sowie mit dem Familiennamen Nake:

  1. Christoph Severus Nake (*18.12.1667) mit Ehefrau Anna Maria  (und wahrscheinlich dem Kind) Catharina Elisabeth (*11.10.1695)

 

Ausschnitt Stammbaum Familie Nack, Gierstädt

Tatsächlich lässt sich "meine" Familie Nack auf das oben genannte Ehepaar Georg Nack (*15.10.1650) mit Ehefrau Margareth (*9.5.1659) und deren Sohn Nicolaus zurückverfolgen - wie wir durch den Stammbaum auf der Familienseite Nack erfahren hatten - diese Liste führt sogar noch eine Generation weiter zurück. Da wir leider nicht wissen auf welche Daten sich die Ergebnisse von Albert Nack beziehen (die Aufstellung entstand im Rahmen eines notwendigen Ariernachweises zur weiteren Beförderung im Postdienst), fällt es mir schwer, darin einen weiteren Namens- und Datenbeweis zu finden. Wenn dem so wäre, wäre es einfach großartig!
In der Familienübersicht die wir kannten, fehlen bisher 2 Kinder: nämlich Heinrich und Hans Georg.

Nach den gefundenen Kirchendaten gab es in den Jahren 1650-1750 mindestens 20 Personen unterschiedlicher Generationen namens Nack, was sehr dafür spricht, dass es sich bei Gierstädt um den langjährigen Wohnort handelte.

Sicher ist, dass es Gierstädt war, von wo aus mein Vorfahr Johann Melchior samt seiner Frau und den meisten Kindern in die USA ⇒ auswanderte. Ihr ältester Sohn Heinrich Christian Nack ⇒ ***LINK***, mein 3-facher Urgroßvater, blieb zurück, sein Weg führte ihn als Holzvogt in den Dienst von Ernst II., Herzog des Fürstentums Sachsen-Coburg und Gotha, er blieb also im Raum Gotha.

Gierstädt hatte wenig zu bieten, und eine Karriere war für einen einfachen Landbewohner kaum möglich. Ob es außer Georg(ius) Nack noch andere Leinweber in den Familien Nack gegeben hat ist nicht bekannt, könnte jedoch durchaus denkbar sein, denn häufig waren es mehrere Familien, die gemeinsam in diesem Bereich arbeiteten. Die Weberei war kein Gewerbe, das eine Familie wirklich (gut) ernähren konnte, und viele fristeten ihr Leben mehr oder weniger gut.

Ein echtes Plus hatte jene Seite der Fahner Höhe: Der Boden wird als ausgesprochen fruchtbar bezeichnet, Weizen und andere Getreidearten gediehen herorragend, das Obst würde früher und besser reifen als in Gotha bzw der restlichen umgebenden Region. Die frühe Besiedelung ist zweifelsohne dem bevorzugten Mikroklima zu verdanken, das durch die Hügelkette geschaffen wird, die sich von Nordwest nach Südost zieht. Dies schützt die Fahner Gegend so gut, dass sich bereits im frühen 18. Jahrhundert der Obstanbau erfolgreich etablieren konnte - so gut, dass man schon bald vom "Obstgarten Thüringens" spricht.

Die Entwicklung von einer reinen klassischen Landwirtschaft zu einem der großen Obstanbaugebiete Deutschlands begann "erst" lange nach dem Dreißigjährigen Krieg, als die Herren von Seebach Mitte des 18. Jahrhunderts die ersten Obstgärten anlegen ließen. Versuche einer frühindustriellen Ansiedelung in Form von Bergbau, Abbau von Kohle und Alaunerzeugung, die ab 1720 unternommmen worden waren, beendeten die Herren von Seebach aufgrund fehlender ökonomischer Erfolge bald wieder. In einem zweiten Versuch verlegten sie sich auf Landwirtschaft, Obstanbau. Sie legten Wert auf gute Sorten und es gab sogar die herrschaftliche Anordnung, dass jedes Paar, anlässlich seiner Heirat einen Obstbaum pflanzen musste, um für die weitere Verbreitung und Erhöhung der Akzeptanz zu sorgen. Als 1770 Johann Volkmar Sickler als Pfarrer in die Fahner Höhe kam, der legendäre "Ahnherr" des ausgedehnten Obstbaus, gab es also bereits eine (unbedeutende) Verbreitung desselben. Ihm und den damaligen Heeren von Seebach ist es jedoch zu verdanken, dass der klassisch verbreitete Anbau von Äpfeln und Birnen durch die Süßkirsche erweitert wurde, die Sickler von einem Pfarrer aus dem Taunus bezog. Diese ersten Versuche mit Süßkirschen waren der Beginn der heute bekannten Obstanbaus. Zu Beginn sollen es nur drei Bauern aus der Region gewesen sein (die Namen Bufleb, Schierschmidt und Burkhardt werden genannt - im Gierstädter Nack-Stammbaum taucht der Name Bufleb mehrfach auf: mehrfach in dem oben eingefügten Häuserverzeichnis, eine als erste Ehefrau von Georgius Nack, und in Form von Hans Melchior Buffleb als Ehemann von Catharina Nack, einer Tochter aus der zweiten Ehe von Georgius Nack mit Margareth Grabslöb, weit vor dem Aufkommen des Obstanbaus), die Sickler davon überzeugen kann, es mit dem Obstanbau zu versuchen.

Schon bald drohen die Napoleonische Kriege die bisherigen Erfolge zu vernichten. Bereits 1806 - im Rahmen des vierten Koalitionskrieges - kommen die französischen Truppen auf dem Weg nach Osten durch die Gothaer Region. Die flache, von alten Wirtschafts- und Heeresstraßen durchzogene Gegend ist Durchzugsgebiet und Lagerplatz für die verschiedensten Truppenteile. Nicht von ungefähr werden die Obstgärten abgeholzt und dienen als Feuerholz. Es ist überliefert, dass ca. 20.000 französische Soldaten sich über das Gelände ergießen (mit kleinen Ortschaften, in denen jeweils nur etwa 150 oder 200 Menschen lebten und gerade so über die Runden kamen).

Concerned about the education “of adults and the ignorant”, Duke Ernest I of Saxony-Gotha (1601-1675) introduced in 1642 mandatory education for children from the age of five to twelve years old in his domains

Ein sehr eindringliches Beispiel für das Leid der Menschen damals ist der Auszug aus einer Chronik des Pfarrers von Kleinfahner, der in dem Journal "Der Grenzbote" abgedruckt wurde. Es beginnt mit einer zeitlichen Einordnung und dem Grund für die im Folgenden geschilderten Leiden der Menschen in Kleinfahner - und der ganzen Region.

Nach dem siebenjährgen Kriege blieb es im Ganzen ruhig bis 1806 im September, während im Auslande theilweise schwere Jahre waren,
durch das französische Revolutionswesen und Napoleon. Aber im September 1806 kündigte der Preuße dem Franzosen einen Krieg an,
wie es hieß deswegen, weil der Franzose seine Truppen nicht von deutschem Grund und Boden wegziehen wollte.

Preußen erschien mit vielen Truppen in hiesiger Gegend, die immer hin- und herzogen und oft schnell und kurz einquartirt wurden.

Einige Zeit geht ins Land, genau genommen nur weniger als 4 Wochen, während derer die Bewohner bereits mehrfach von den einen wie den anderen Truppenkontingenten heimgesucht worden waren. In Kleinfahner war es der dritte Tag der traditionellen Kirmes, die in jenem Jahr zweifelsohne nicht sonderlich lustig gewesen sein dürfte, als eine der gröten "Heuschreckenplage" jenes Krieges die Region erschütterte. An diesem Tag zog ein besonders großer Heeresteil über die Fahner Höhen und passierte Gierstädt und Kleinfahner. Es handelte sich dabei um Marschall Michel Ney, einen französischen Soldaten unter dem Kommando Napoleons, der als besonders tapfer galt. Nachdem bereits Tage zuvor die preußische Königin Louise auf dem Rückzug der Truppen durch den Ort kam, war es Ney, der nach der Schlacht bei Jena die preußische Armee verfolgte.

Ich hatte bei meinen eigenen Sorgen mich nicht viel um die Anderen bekümmern können, aber mein Gott! welche Verwüstung im Orte.
Ein einziges Mal trat ich an das Saalfenster und erblickte in der Ferne ein Feuer, dessen Flamme bis an die Wolken zu schlagen schien.
Ich hielt es für einen Brand in Tonna, allein es war, wie ich den andern Morgen vernahm, zwischen hier und Gierstädt gewesen, wo der
Theil von den 20.000 Mann, die der Marshall Ney commandirte, und die nicht in den Dörfern hatten unterkommen können, ein Bivouac
gehabt hatte. Solch einen Zustand hatte ich auch in dem sogenannten siebenjährigen preußischen Krieg mit Oestreich, den ich ganz erlebte,
nicht gesehen. Man sah ein Lager unter freiem Himmel. Dazu waren keine Zelte gebraucht worden. Man hatte die Einwohner von hier und
in Gierstädt gezwungen, ihr Geschirr anzuspannen und ihre Erntefrüchte in ihren Scheuern, Korn, Weizen, Gerste, Hafer ac. aufzuladen und
dahin zu fahren.

Wie üblich ernährte sich das Heer durch das Land, das sie durchquerten. Gerade für arme Landregionen eine Katastrophe, wenn sie, wie eben das Thüringische Becken, ständig in die verschiedenen Richtungen durchquert wurde. Nach dem Abzug dieser

Wo man Hafer, Korn ac. auf den Böden gefunden, hatte man es eingesteckt, mit fortgenommen und den Pferden so vorgeschüttet
auf die bloße Erde. Hierher war alles geschafft worden, was man aus Küchen, Kellern,Vorrathskammern, Kuh-, Schaf-, Schweine-
und Hühnerställen hatte fortbringen können. Dieses alles war in diesem Lager geschlachtet worden, und zwar auf die Art, daß
man den Thieren bloß den Kopf abgehauen, das Fell herabgerissen, Keulen und Stücke Fleisch abgetrennt, an Degen gesteckt
und so gebraten. Man fand dergleichen noch halb und ungar gebraten umherliegen, was man nicht hatte genießen können und
wieder weggeworfen; man fand die abgezogenen Schaffelle in ganzen Haufen aufeinanderliegen; bei einem Inwohner in Gierstädt
hatte man allein etliche dreißig Schafe genommen; ihre Köpfe, Eingeweide, Schwein-, Hühner-, Gänse-, Entenköpfe, Butter, Mus,
Fett- und Käsetöpfe lagen umher. Um das Feuer zu unterhalten, hatte man aus den Häusern Tische, Schränke, Stühle, Bänke
geholt; ich sah auch noch Ueberbleibsel von einem Leinweberstuhl, Bohlen und Bretter hatte man ins Feuer geworfen und verbrannt,
Karren und Wagen, auf welchen man das alles nebst ausgehobenen Hofthoren und Hausthüren beigeschafft hatte, hatte man
zuletzt ins Feuer geschoben und zum Theil halb, zum Theil ganz verbrannt.

Den Pfarrer hatten die unterschiedlichen (teilweise versprengten) Soldaten bis auf das fast letzte Hemd ausgezogen, nachdem dieser, inzwischen mangels Geld oder Nahrungsmittel die Schränke mit Wäsche und Kleidung geöffnet und selbst seine neue, wertvolle Jacke hergegeben hatte.

Während dieser Verfolgung kam es immer wieder zu Scharmützeln, auch in der Gierstädter Gegend, und es ist für mich immer wieder überraschend, dass die Zivilisten, die sich größtenteils im nahen Wald verbargen, überhaupt überlebten - unter ihnen auch einer meiner Vorfahren, Nicolaus Nack, der damals mit seinen knapp 20 Jahren in Gierstädt lebte. Später ging das Kampfglück in die andere Richtung, und die preußischen Truppen kehrten siegreich und mit jeder Menge Gefangener zurück, die - wen wundert es - wieder von den Ortsgemeinden verköstigt werden mussten4.

Der gesamte Auszug als PDF - Auszug aus der Chronik eines Pfarrers in Kleinfahner

Werbung Auswanderung Regierungs- und Intelligenzblatt Hzg Gotha.jpgWas es nun genau war, das die Familien Nack zur Auswanderung bewegte (es sind soweit bekannt keine Briefe, Tagebücher etc aus dieser Zeit erhalten, die genauer Auskunft darüber geben können), muss sich die Familie bereits im Laufe des Jahres 1851 dazu entschlossen haben, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Um ein Schiff zu besteigen, musste man damals nicht einfach nur ein Ticket kaufen. Zumeist vertrauten die Auswanderer ihre Touren einem Auswandereragenten an, die es überall in Deutschland gab. Diese waren für die unterschiedlichsten Unternehmer tätig, teilweise für Auswanderungsunternehmen, die sich gerne den Rahmen eines Vereins gaben (wie in der ersten Anzeige beispielsweise der "Thüringische Verein für deutsche Auswanderung"), oder für Expedienten, die beispielsweise ihre Überfahrten ab Hamburg oder Bremen verkauften. Beide bedienten sich der Auswanderungsagenten (in der 2. Anzeige zB einem Herrn Wille, wahrscheinlich in Gotha). Mit wessen Unterstützung die Eltern von Heinrich Christian Nack und dessen Geschwister in die USA kamen, wissen wir nicht, leider, ebenso wenig wann genau sie abreisten. Geplant war diese Abreise von Johann Melchior Nack vorgeblich am 26. Februar 1852. Woher wir das nun wissen? Aus der Zeitungsangabe ⇒ *********LINK*****, die diesen und seine Familie erwähnte.

 

4. Gierstädt und die Nacks nach 1852

Mit oder ohne "meinen" Nacks, Gierstädt blieb ein kleiner, weitgehend unbedeutender Ort in einer nördlichen, räumlichen Enklave des thüringischen Beckens cool.

Im Januar 2021 teilte mir eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung mit, dass "im hiesigen Personenstandsregister ab 1876" der Name Nack nicht (mehr) auftaucht. Dies überschneidet sich mit einer Bestandsangabe des Staatsarchivs Gotha, wo Unterlagen zum Bauvorhaben eines Reinhold Nack und des Maurermeisters Flock in Gierstädt aus 1879 aufbewahrt werden. Reinhold Nack war Maler/Anstreicher aus Gierstädt. In welche Linie Nack er gehört, ist im Moment noch offen.

Erwähnt wird er jedenfalls im Adressregister für Gierstädt, das alle Unternehmen im Herzogtum Gotha aufführte.

  • 2 Gasthöfe: Gasthaus Rödinger und das Zum Goldenen Lamm, ein Gast- und Pensionshaus, Inhaber: August Kräter
  • Anstreicher und Maler: Brückner B., Otto Friedrich, R. Nack, R. Venus
  • Bäcker: A. Gewalt, G. Hildebrandt
  • Bienenzüchter: Fr. Riemer
  • Korbmacher: Paul Dreischärf
  • Maurermeister: A. Tränhadt
  • Windmühle: Franz Schöffel
  • Samenhandel: Oswald Gewalt, Gotth. Hildebrandt
  • Schmied: Herm. Steiding
  • Schuhmacher: Fr. Riemer
  • Spezereiwarenhandel: Aug. Kröter, Otto Rang, Otto Rödiger
  • Tischler: Hugo Rachardt, Otto Starke
  • Zimermeister: Wilhelm Kohlmann, Th. Spittel, Theod. Witter

 

Reinhold Nack, geboren in Gierstädt, zieht nach ErfurtTatsächlich ließ sich Reinhold relativ schnell finden. Am 12.5.1845 in Gierstädt geboren, wurde er im Mai 1872 in Erfurt als Hausbewohner verzeichnet. Als Beruf wird Tüncher angegeben, und er wohnte in der Michaelisstraße, einer der bedeutenden Straßen im historischen Stadtkern von Erfurt. Er hielt sich seit 2 1/2 Jahren in der Stadt auf. Ein Arbeitgeber wird nicht angegeben, er war selbständig, weitere Angbaben zu Familie etc. gibt es nicht. Es ist auch über sein weiteres Schicksal nichts zu finden, Taufe oder Geburt in Gierstädt ebenso wenig. Offensichtlich war Reinhold nicht der einzige Nack in Erfurt. Allerdings taucht der erste Träger erst des Namens 1866 auf: Gustav Nack aus Kindelbrück wird im Häuserverzeichnis genannt, mit den Straßenangaben "Judenschule, Junkersand". Die beiden Straßen liegen etwa 6 Minuten Fußweg voneinander entfernt.

Auswanderung R. Nack 1883Reinhold scheint sich dazu entschlossen zu haben, Deutschland zu verlassen. Ein Reinhold Nack, der angab in "Gierstädt Gotha" geboren worden zu sein, wanderte 1883 offensichtlich aus. Er reiste offenbar alleine, vorgeblich als Kaufmann, von Hamburg aus an Bord des Schiffs Australia nach New York. Er kam in New York an - und ich fand bisher keine weiteren Angaben zu ihm. Keinesfalls ist er mit "dem einen anderen" Reinhold Nack identisch, der in Williamstown, Dodge, Wisconsin, USA lebte, und der sehr präsent mit den vorhandenen Angaben auf Ancestry ist. Letzterer ist in Wisconsin geboren und viel jünger.

 

5. Anmerkungen, Quellenangaben etc:

1 https://www.mdr.de/mdr-thueringen/sendungen/gierstaedt_ortsname-100.html ; "Ortsnamen Thüringens - Landkreis Gotha", Christian Riese, Hamburg 2010, S. 88-90.

2 https://paintlater.files.wordpress.com/2012/02/hagendorf-diary.jpeg - Tagebuchauszug aus dem Tagebuch von Peter Hagendorf.

3 https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb10373400?page=,1 - Friesenegger, Maurus: Chronik von Erling und Heiligenberg Andechs während des dreißigjährigen Krieges

4 https://www.google.de/books/edition/Die_Grenzboten/Lr460C7ks2wC - Der Grenzbote I, 1866, S. 134 ff - Auszug aus einer Chronik des Pfarrers von Kleinfahner (… „als 1806 der Preuße dem Franzosen einen Krieg“ ankündigte)

 

Familie(n) Nack in die USA

Kartenausschnitte Gierstädt

 

1. Vor der Reise - Vorbereitungen und Aufbruch

2. An Bord der Highland Mary und Ankunft in New York

 

Vor der Reise - Vorbereitungen und Aufbruch

Gerade in den vergangenen Tagen dachte ich, wie "fantastisch ist das Netz" :-).

In den Tiefen des Netzes entdeckte ich in einer Düsseldorfer Zeitung aus dem Jahr 1852 einen Hinweis auf eine Gruppe von Auswanderern, die sich von Gotha aus per Eisenbahn auf den Weg nach Norden machen wollten, um von Bremen aus in die Neue Welt abzureisen. Es dauerte nur zwei Tage, dann fand ich den Originalartikel, aus dem die Düsseldorfer Zeitung zitierte:

Artikel Gothaische Zeitung 28.02.1852

Am 28. Februar 1852 meldete die Gothaische Zeitung, dass in den vergangenen beiden Tagen über 150 Personen am Gothaer Bahnhof auf ihre Abreise warteten. Nach dem Düsseldorfer Journal vom 11. März seien es knapp 200 Personen aus dem Herzogtum Gotha, aber auch aus Eisenach und Coburg, Meiningen und Kurhessen (Schmalkalden) gewesen.

Die Gruppe habe ein weit entferntes Ziel vor Augen gehabt: Amerika.

Leider fehlen neben den Namen der Ausreisenden (etwas viel verlangt, ich weiß), auch Hinweise darauf, ob a) jemand die Reise organisiert hatte, ob b) alle einen gemeinsamen Abreisehafen ansteuerten oder sich ihre Wege unterwegs trennten und einige nach Hamburg oder zu niederländischen Häfen reisten, c) alle New York als Ziehafen hatten, oder ob auch Schiffe nach Boston oder New Orleans oder Kanada steuerten. 

Gotha war durch die unmittelbare Lage an der Strecke Kassel - Erfurt - Halle - Leipzig für seine Größe relativ frühzeitig ans Eisenbahnnetz angeschlossen. Die Bahnkarte Deutschland von 1849 zeigt eines der großen Probleme der damaligen Reisenden, nämlich die fehlende Nord-Süd-Verbindung Kassel - Hildesheim - Bremen (siehe http://geoportost.ios-regensburg.de/viewer/hebisppn_401359956). Die Reisenden mussten entweder auf die Ostroute Halle-Magdeburg-Hamburg ausweichen, was wenig Sinn gemacht hätte, über Halle-Braunschweig-Hannover reisen, oder, was eher wahrscheinlich ist über Kassel nach Karlshafen zu fahren und dann per Schiff die Weser entlang bis Bremen. Für die allermeisten Reisenden, die in ihrem Leben nie gereist waren, ein unglaubliches Abenteuer.

Auch wenn ein echter Nachweis fehlt, kann man glaube ich in der Gesamtschau der bekannten Daten davon ausgehen, dass zumindest die Familie Johann Melchior Nack tatsächlich mit in dieser Reisegruppe war.

Daten zur Familie Melchior Nack:

Hinweis auf geplante Auswanderung der Fam. Melchior Nack

  • 9. Februar 1852 - Der Mitarbeiter Perlet des Herzoglich Sächsischen Justizamtes in Tonna erlässt die Aufforderung an alle möglichen Gläubiger der Familie Melchior Nack, dass dieser mit seiner Familie, der auch zwei verheiratete Söhne angehörten, die Auswanderung in die USA plane. Mit diesem Hinweis hatten Menschen, denen die Nacks noch Geld schuldeten, für die Dauer von 2 Wochen die Möglichkeit, dieses beim Justizamt bekannt zu machen. Geschah dies nicht, bekamen die Familienmitglieder die Reisepässe ausgehändigt, mit denen sie das Land verlassen und in die USA ausreisen konnten.
  • 13. Februar 1852 - Diese Aufforderung erschien im Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogtum Gotha.
    Gottfried Nack, AuswanderungsbekundungDie "anderen" Nacks wurden kurz darauf als Auswanderungswillige  veröffentlicht:
    Gottlieb Nack, ebenfalls aus Gierstädt, ebenfalls mit Familie, planten "zu Anfang des künftigen Monates" nach Amerika übersiedeln. Wenn man die vom Justizamt verordnete Wartezeit einkalkuliert, hätten sie erst nach dem Abfahrtstermin der Reisegruppe das Herzogtum Gotha verlassen können. Da sie mit der Familie Gottliebe Nack an Bord der Highland Mary abfuhren, hat es offensichtlich geklappt, dass die beiden Familien sich spätestens auf der Gangway oder an Bord der Highland Mary wieder trafen. siehe unten ⇓
  • 26. Februar wird in der Aufforderung des Justizamtes als geplantes Abreisedatum, und dies passt genau zu dem Bericht der Gothaischen Zeitung, dass eine Gruppe Auswanderer zu diesem Datum abreisen will. Ich denke, dass man tatsächlich davon ausgehen kann, dass die Familie Johann Melchior Nack unter den Reisenden war. Diese Information hätte ich ohne den Zeitungsartikel sicherlich nie gefunden.
  • 26./27. Februar 1852 - Abreise der Reisegruppe, sehr wahrscheinlich mit der Familie Melchior Nack von Gotha aus per Zug in Richtung Bremen.
  • unbekannt - Ankunft in Bremen
  • unbekannte Dauer - Aufenthalt in Bremen/Bremerhaven
  • 9. April 1852 - Abfahrt von Bremerhaven an Bord der Highland Mary mit Ziel New York (Allgemeine Auswandererzeitung Rudolstadt) siehe unten ⇓
  • 01. Juni 1852 - AHinweis auf Auslaufen des Schiffs Highland Marynkunft in New York, Castle Garden (Allgemeine Auswandererzeitung Rudolstadt) siehe unten ⇓
  • unbekannt - Weiterreise nach Sheboygan
  • unbekannt - Ankunft in Sheboygan

 

Im Düsseldorfer Journal vom 11. März 1852 erschien eine Nachricht, die mich aufmerken ließ. Dort wurde beschrieben, dass von Gotha aus 2 Gruppen Auswanderer mit dem Ziel der Auswanderung aufgebrochen waren. Eine Gruppe von etwa 200 Menschen war am 27. Februar 1852 aufgebrochen, am 11. März 1852 wollten nochmals 100 Personen aus dem Herzogtum Gotha vom Gothaer Bahnhof aus aufbrechen. Wir nehmen an, dass die Nacks in einer der beiden Gruppen waren.

Offen ist für mich die Frage, ob sie Auswanderungsagent Lüdering - Gothamit einer Auswanderungsagentur reisten, wie beispielsweise mit der Firma Lüdering & Comp, die mit der Anzeige links Werbung für ihren Agenten machte. Diese Firma agierte von Bremen aus und besaß Eduard Wille in Gotha als ihren bevollmächtigten Agenten. Ich gehe davon aus, dass die meisten Auswanderer damals mangels Erfahrung im Umgang mit all den Fragen und Problemen, die bei einer Auswanderung auf sie zukommen konnten, auf einen der unzählichen Agenten zurückgriffen. Erstaunlich viele Agenturen begannen in Türingen zu operieren, beispielsweise ein Paul Cyriax in Gotha für F.J. Wichelhausen in Hamburg, die ihre Passagiere über die Reederei Sloman transportieren ließen. Oder Carl Burckas in Gotha mit Überfahrt ebenfalls über Hamburg. Diese gingen sogar so weit die Schiffe zu nennen, mit denen die Fahrten geplant waren. 1852 wirbt J.H.P. Schröder und Comp. in Bremen mit dem Agenten Wendelmuth in Liebenstein, Friedrich Kestner in Waltershausen für den Thüringischen Verein für Deutsche Auswanderung oder für die Firma Carl Pokrantz und Comp. in Bremen Johann Adolph Seifferrth's Söhne. 

Allerdings war dem Bremer Senat sich damals schon der Tatsache bewusst, dass Bremen zu der Zeit DER deutsche Auswandererhafen war, und die Menge an Menschen, diedurch die Stadt strömten, unmöglich sich selbst überlassen werden konnten - zum Nutzen der Auswanderer und der Bewohner der Stadt.  Sie begannen bereits im Oktober 1832 mit einer "Verordnung wegen der Auswanderer mit hiesigen oder fremden Schiffen", dem ersten deutschen statlichen Gesetz betreffs Auswanderung. 1851 entstand in Bremen das "Nachweisungsbureau für Auswanderer", gegründet durch die Handelskammer Bremen. Die Mitarbeiter dieses Büros hatten quasipolizeiliche hoheitliche Aufgaben für das Auswandererwesen. Zu den Aufgaben des Büros gehörte die Versorgung der Auswanderer mit Informationen, Listen und Preisübersichten bis hin zum Angebot von Schlichtung bei Auseinandersetzungen zwischen Auswanderern und Expedienten. Die Reisenden erfuhren, wo sie ihr Gepäck bis zur Abreise lassen konnten, und wer es transportieren konnte, wenn es sich um umfangreichere Mengen handelte. Da die Kapazität des Auswanderer Hauses nicht ausreichte, war es notwendig, die Auswanderer mit Listen zu versorgen - wo man preiswert, sauber und sicher wohnen und sich mit Nahrungsmitteln versorgen konnte, teilte ihnen die Preise für Lebensmittel und Hardware mit, die sie eventuell noch für die Überfahrt brauchten. Nicht alle Auswanderer kamen bereits mit einem Kontrakt zwischen ihnen und einem Beförderer in Bremen an. Tatsächlich war es eine nicht unerhebliche Zahl, die mit Sack und Pack (oder auch ohne das, wenn die Emigranten beispielsweise verbotenerweise ihren Heimatstaat verlassen hatten) in den Häfen eintraf, die dann durch die Büros der Expedienten tingelten und nach guten Konditionen für eine Überfahrt suchten. Waren Auswanderer in der Anfangszeit der Auswanderung noch in (Familien)Gruppen unterwegs, waren es später Einzelreisende, denen es wesentlich leichter gefallen sein durfte, für sich allein Unterkunft und Überfahrt zu finden. Gab es Streitigkeiten, versuchte sich das Bureau auf Nachfrage einzuschalten und eine Lösung zu erreichen.

Zum Zeitpunkt der Auswanderung der Nack-Familien gab es weitergehende Bemühungen zur Regulierung und Verbesserung der Zustände in den Häfen oder auf den Schiffen. 1855, drei Jahre nachdem die Nacks übergesetzt waren, wurde zur Beaufsichtigung des gesamten Geschäftsbetriebes der Auswandererexpedition die Deputation für das Auswandererwesen eingerichtet, die jene exekutiven polizeilichen Aufgaben übertragen bekamen. Sie erhielten jeweils die Auswandererlisten und waren dazu befugt, die Abfahrt der Schiffe zu gestatten, wenn alles in Ordnung zu sein schien. 1887 wurde daraus die Behörde für das Auswandererwesen. Am 6. Mai 1846 war durch den Bremer Senat die Verordnung in Betreff der Zahl der mit von Bremen expedirten Schiffen zu befördernden Passagiere, sowie der Beschaffenheit und Verproviantirung der Passagierschiffe erlassen worden. Durch die Verordnung sei "Bedacht genommen, denjenigen Auswanderern, welche mit den von Bremen aus expedirten Schiffen befördert werden, eine zweckmäßige Einrichtung für ihre Ueberfahrt und thunlichste Sicherheit für die Erreichung ihres Bestimmungsorts und für eine gute Behandlung auf der Reise zu gewähren". Diese Verordnung orientierte sich vor allem an den Vorgaben, welche an Bord der Schiffe zu erfüllen waren. Andernfalls würde das Schiff keine Erlaubnis zum Verlassen des Hafens erhalten.

historischer Plan von Bremerhaven

Zu dem Zeitpunkt als die Nacks in Bremen ankamen, war die Stadt schon lange kein Hochseehafen mehr. 60 Kilometer entlang der Weser im Landesinneren gelegen, hatte man schon sehr früh darüber nachdenken müssen, wie man Schiffe mit viel Tiefgang anlanden lassen könne. Lösung war die Gründung eines Hafengeländes, angrenzend an den "Alten Hafen", später kam ein neuer Hafen hinzu (die Abbildungen stammen aus der Leipziger Illustrierten 18512), beide an der Westermündung gelegen. Südlich davon schloss sich das ausgehobene Hafenbassin an, in dem die Schiffe beladen resp. bestiegen wurden, es folgten ein paar wenige Straßen und Gebäude. Westlich des Marktplatzes schloß sich das Auswanderer Haus mit umfangreichen Nebengebäuden und einer großen Rasenfläche an. Es entstand Bremerhaven.

Da es vor 1862 keine Eisenbahnverbindung gab, mit der Auswanderer von Bremen nach Bremerhaven gelangen konnten mussten sie mit Pferdewagen oder über die Weser mittels Lastkähnen die Strecke überwinden. Hierfür mussten die Auswanderer in der Regel 2-3 Tage veranschlagen.

Bremerhaven, Markierung des Auswanderer Hauses

Endlich an ihrem ersten großen Teilziel angekommen, erwartete die Auswanderungswilligen das sogenannte Auswanderer Haus. Dort sollten 2000 Menschen mit für damalige Zeit aufwändiger Qualität untergebracht werden - nicht nur Verköstigung sondern auch Übernachtung für längere Phasen.

Das Auswanderer Haus wurde auf einem fast 3000 Quadratmeter großen Platz innerhalb des Stadtgebietes des neuen Bremerhavens errichtet, der in größtmöglicher Nähe zur Anlagestelle der Schiffe lag. 1849 hatte man mit dem Bau begonnen, und nach knapp einem Jahr Bauzeit gelang es dem Architekten Müller den Bau zu vollenden.

Zitat aus einer Beschreibung des Hauses2:

Historisches Auswandererhaus Bremerhaven

"Das Haus hat 177 Fuß [Anmerkung: 35 Meter] Fronte, 110 Fuß [Anmerkung: ca 33,5 Meter] Tiefe und besteht aus einem Frontgebäude mit zwei durch einen 90 Fuß langen verdeckten Gang verbundenen Flügeln.
Im Souterrain befindet sich die Küche mit einem Dampfapparate, um 3500 Portionen Essen zugleich zu kochen;
der Küche gegenüber sind große Lagerräume, so groß und zweckmäßig eingerichtet, um alle Effecten der Passagiere gut, trocken und sicher aufzubewahren.

Im Parterre sind die Bureaus, Wohnungen des Oeconomen, des Predigers und Inspectors, Lazarethstuben, Zimmer zur Speisung von Matrosen, große Restaurations- und Speisesäle. In der Mitte des Gebäudes steht die Capelle, schlicht, anspruchslos, aber zugleich ansprechend und würdig.

Logiersäle im Auswandererhaus Bremerhaven

Ueber dieser Etage befinden sich neuen Logirsäle, jeder 60 Fuß [Anmerkung: 18 Meter] lang, 40 Fuß [Anmerkung: 12 Meter] breit und 12 Fuß hoch. In deren Mitte sind 7 Fuß hohe Verschläge zu Schlafstellen so abgetheilt, daß die Trennung der Familien und verschiedenen Geschlechter wesentlich erleichtert wird.
Rings herum an den Seiten befinden sich bequeme Tische und Bänke.
Für Heizung in der kältern Jahreszeit, sowie für Reinlichkeit dieser Säle nebst Zubehör wird stets aufs Beste gesorgt, auch sind dieselben Abends und Nachts durch an den Seiten angebrachte Lampen fortwährend erleuchtet.
Vor jedem Saale ist ein Waschzimmer; das Wasser wird durch Druckpumpen in alle Theile des Hauses getrieben, die Wäsche der Kleidungsstücke aber in einem besondern Waschhause besorgt und das Trocknen derselben auf den geräumigen Böden bewirkt.
Jeder Saal hat seinen besondern Aufwärter.

Die Treppen sind sämmtlich von Sandstein, sodaß auch bei Brandfällen für die Bewohner des Hauses keine Gefahr entstehen kann, die überdies dadurch völlig beseitigt wird, daß sowohl jeder Saal, wie Vorplätze u.s.w. beim Ausbruche eines Feuers leicht unter Wasser zu setzen sind.

Die Lazarethe sind mit 35 Betten versehen, natürlich sind die Geschlechter in besonderen Sälen getrennt und für jeden je männliche oder weibliche Pfleger angestellt. Die Hausordnung ergibt das Nähere."

Auswanderungskiste Heinrich Christian NackAus uns bisher nicht bekannten Gründen blieb "mein" Nack, der älteste Sohn von Johann Melchior und Anna Maria Nack, in Deutschland zurück. Es scheint, als habe jemand zumindest mit dem Gedanken gespielt, Heinrich Christian könnte an Bord gehen - im Besitz eines anderen Nachfahren von Heinrich Christian Nack existiert nämlich eine Auswanderungskiste, die mit eben seinem Namen markiert ist. 

Ausgewandert ist er jedoch mit großer Sicherheit nicht, er taucht nicht an Bord der Highland Mary auf, auch keine andere Liste nennt ihn an Bord eines anderen Schiffes, nirgendwo gibt es Hinweise auf eine mögliche Rückkehr. 1852, im Jahr der Auswanderung, war Heinrich Christian Nack als Waldwart beschäftigt, nachdem er seine Militärzeit abgleistet hatte.

 

An Bord der Highland Mary und Ankunft in New York

Wie zu dieser Phase der Emigration in die USA üblich, wanderten die Nacks im Familienverband aus. Auf sich gestellt, ohne feste Anlaufpunkte (es gab damals weder eine organisierte Abreise noch Ankunft, ebenso gab es damals noch keine caritativen Auswanderungsorganisationen), war es am Sichersten, in der Geborgenheit einer kleinen oder größeren Gruppe von Familienmitgliedern zu reisen.

Insgesamt finden sich in den Unterlagen der National Archives der USA (NARA) unter der Listennummer 6956 der Highland Mary vom 1. Juni 1852 vierzehn Mitglieder der Familie  Nack.

Als Passagiere fanden sich auf dem Schiff Highland Mary folgende Nacks:

  • Melchior Nack - Alter: 53 - Beruf: Farmer (Johann Melchior Nack)
  • Anna Maria Nack - Alter: 53 - Beruf: unbekannt (Anna Maria Nack, geborene Cott)
  • Daniel Nack - Alter: 28 - Beruf: unbekannt (Johann Daniel Nack, Sohn von Melchior Nack und Anna Maria)
  • Christopher Nack - Alter: 24 - Beruf: unbekannt (Sohn von Melchior Nack und Anna Maria)
  • Susannah Nack - Alter: 22 - Beruf: Seamstress (Susanne Rosine Nack, Tochter von Melchior und Anna Maria)
  • Charles Nack - Alter: 18 - Beruf: Laborer (Karl Bernhardt Nack, Sohne von Melchior und Anna Maria)
  • Wilhelmine Nack - Alter: 12 - Beruf: unbekannt (Johanna Wilhelmine Nack, Tochter von Melchior und Anna Maria)
  • Infant Ernst Nack - Alter: 10 Monate - Beruf: unbekannt
  • William Nack - Alter: 10 - Beruf: unbekannt (Friedrich Wilhelm Lorenz Nack, Sohn von Melchior und Anna Maria)
  • Sophey Nack - Alter: 24 - Beruf: unbekannt
  • Gottlieb Nack - Alter: 45 - Beruf: Farmer (Beziehung zu Melchior unbekannt, evtl Bruder)
  • Martha Nack - Alter: 47 - Beruf: unbekannt
  • Christine Nack - Alter: 47 - Beruf: Servant, Gentleman's Servant (Beziehung zur Familie unbekannt) 
  • Gottlieb Nack - Alter: 12 - Beruf: unbekannt (Beziehung zur Familie unbekannt)

Es bilden sich mindestens zwei Familien ab:

  • Melchior und Anna Maria Nack mit ihren Kindern Daniel, Susannah, Karl, Wilhelmine und Wilhelm, Christopher (sowie Sophey, die Ehefrau von Christoph und deren gemeinsamer Sohn Ernst Nack, geboren in Deutschland)
  • Gottlieb Nack und seine Frau Martha, vermutliches Kind Gottlieb.

Im Kontakt zu verschiedenen Nachfahren der Nacks, ausgewanderte wie hier gebliebene, hoffe ich im Folge der Zeit immer mehr zu erfahren, was aus den verschiendenen Nacks dieser Familien wurde.

Die Newyorker Schiffs-Liste, die in der „Allgemeinen Auswanderungs-Zeitung“ aus RudolAuswandererzeitung Rudolstadt, Ankunft Highland Marystadt erschien, war für die in der Heimat zurückgebliebenen die erste Möglichkeit zu erfahren, ob die Auswanderer gut angekommen waren - vorausgesetzt sie hatten Zugang zu dem Blatt.

Am 26. Juni 1852, 3 Wochen nach ihrer Ankunft, erschien in der Allgemeinen Auswanderungs-Zeitung die Nachricht, dass die Bark Highland Mary  nach einer eher langen Reise von 51 Tagen (im Vergleich zu 49 Tagen ab Hamburg, 49 Tage benötigte die Childe Harold ab Bremen am gleiche Tag) lief wohlbehalten in New York eingelaufen war. Sayers, der Kapitän, hat seine Sache offensichtlich gut gemacht, denn man testierte ihm „Zu empfehlen. Kost und Behandlung nicht zu tadeln“.

Wilhelmina, die jüngste Tochter des Johann Melchior, verbrachte ihren Lebensabend mit der Urgroßmutter meines Familienmitforschers Nack in den USA. Ihr Spitzname war Minna, und sie erzählte von einer langen Überfahrt mit vielen Stürmen. Wenn sie mit dem Schiff 5 Meilen voran gekommen waren, hätte der Sturm sie 10 Meilen wieder zurück geworfen. Anders als Minna es in Erinnerung hatte, war die Highland Mary kein Clipper, sondern eine Bark.

"Meine" Nacks hatten offensichtlich Glück, sie erreichten alle lebendig die Neue Welt. Obwohl ich von der sicheren Ankunft wusste, hatte ich doch die Volkszählungsunterlagen der Nacks aus den USA zuvor gesehen, war ich dennoch erleichtert - und empfinde eine gewisse Dankbarkeit für dieses Schiff und seinen Kapitän.

 

Quellen:

1. http://www.nausa.uni-oldenburg.de/Liww.htm

2. Deutsche Auswanderung - Leipziger Illustrirte Zeitung (11. Januar 1851), http://www.zum.de/psm/emigration/illzeitung1851.php

 

 

 

 

 

 

Familie(n) Meister

 

Die Meisters leben seit Jahrhunderten in Baden - zumindest soweit sie für uns derzeit nachvollziehbar sind.

Mein Großvater, Wilhelm Meister, hat nach Angaben des Wappens, das in der Familie exisitiert, angeblich die Herkunft der Familiie bis in den Ort Fützen verfolgt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, und damit ein Anschluss an die Familie(n) Meister besteht, deren Nachfolger Abt Martin Meister in Sankt Blasien wirkte, habe ich noch nicht verfolgt.

Aus Bauern wurden die Meisters zu Metzger, der erste Metzgermeister war soweit bekannt Carl Ludwig Meister, geboren 1864 in Ulm, Amt Bühl, heute Lichtenau.

Ein Nicolaus Meister soll 1690 nach Ulm gezogen sein.